Zusammengestellt vom Ortsheimatpfleger Arnold Plesse.
Bearbeitungsstand: 26.11.2008

Ein Denkmal für Flüchtlinge?

Zum Denkmal für "unsere tapfern Helden" kommt ein "Mahnmal für die Opfer neuzeitlicher Gewaltherrschaft"

Denkmal und Mahnmal
Auf dem Denkmalsplatz in Freschluneberg stehen zwei Denkmäler: das eine von Vereinen und Gemeinde für "unsere tapfern Helden" und das Mahnmal für "alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft".

Inschriften am Denkmal im Ortsteil Freschluneberg

Inschriften am Denkmal im Orsteil Weserbeverstedt

1989 musste der Denkmalsplatz in Freschluneberg neu gestaltet werden. Im Frühjahr schlug die Friedensinitiative (FI) vor, "nicht nur den Soldaten, sondern allen Opfern von Krieg und Faschismus ein würdiges Andenken zu gewähren. Der Gemeinderat sagte zu, alle Bürger und Vereine an der Gestaltung des Denkmalsplatzes zu beteiligen." (Zwischen Beek und Lune, Ausgabe April 89)

Am 13. Juli 1989 fand eine Besprechung statt. Teilnehmer waren: Schützenverein Westerbeverstedt, Schützenverein Freschluneberg, TSV Lunestedt, Verein ehemaliger Soldaten, Friedensinitiative Lunestedt und Gemeinde Lunestedt. Es wurde schließlich festgestellt, "eine Gedenkplatte, direkt in der Nähe des Denkmals würde auch für die Nachkriegsgeneration einem Mahnmal gleichkommen." Als Ergebnis ist im Protokoll festgehalten: "Der Bürgermeister [Claus Götjen] bittet Frau Thoden, dass seitens der Friedensinitiative der Gemeinde Lunestedt ein Entwurf dieser Platte mit Einbeziehung des vorhandenen Denkmals vorgelegt wird. Dieser Entwurf soll dann im Verwaltungsausschuss sowie in der dann nachfolgenden Gemeineratssitzung Ende September weiter diskutiert werden. Dieses findet allgemeine Zustimmung bei den anwesenden Vereinsvorsitzenden."

Die Nordsee-Zeitung titelte am 8. Februar1990: "Unterschriftenaktion: Lunestedter gegen Bau des Mahnmals". Der Gemeinderat habe zwar am 7. Dezember 1989 beschlossen, das von der Friedensinitiative angeregte und beantragte Mahnmal zu bauen. Klaus Wulff forderte: "Ich möchte den Beschluss des Gemeinderates, dass dieser Bau des Mahnmals nicht geschieht." Er hatte 118 Unterschriften gegen das Mahnmal gesammelt - später wurden daraus 230. Die Begründung findet sich im Bericht der Nordsee-Zeitung vom 23.3.1990 über eine Mitgliederversammlung der CDU: "Von Klaus Wulff und Martin Woltmann wurde die Notwendigkeit zum Aufstellen des Mahnmals nach den Ereignissen in der DDR und Ostblock in Frage gestellt."

Das Mahnmal wurde aber gebaut.

Allerdings kam es nicht zum Bau einer Platte. Der zunächst festgesetzte Text "Wehret den Anfängen - nie wieder Krieg - nie wieder Faschismus" wurde auch nicht eingemeißelt. Stattdessen fertigte der Graphiker und Lehrer Jürgen Gorges (Bramstedt-Lohe, früher Lunestedt) einen Entwurf. Er sagt heute: "Als ich mir die Situation vor Ort angeschaut habe, war mir schnell klar: Es geht nicht an, dass eins dem andern die Wirkung nimmt. - Da waren am Kriegerdenkmal vier Stelen, auch die Bäume sind eigentlich Stelen. So konnte nur eine reduzierte Stele in Frage kommen." Als Text wird in den Gedenkstein auf schwarz eloxiertem Aluminium eingraviert: "Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht verhindern. Voltaire" Und auf der gegenüberliegenden Seite: "Wir gedenken allen Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft 1989/1990" Jürgen Rabbel kommentierte am 4.4.1990 in der Nordsee-Zeitung "Neues Mahnmal am richtigen Ort".



Die Diskussion wurde beherrscht vom politischen Tagesgeschehen. Der Anlass war eigentlich zufällig, der Denkmalplatz musste neu hergerichtet werden. Die Diskussion mit den Vereinen war geprägt davon, nicht eine Platte am bestehenden Denkmal anzunageln. Ein gebührender Abstand sei wichtig. Eine Friedenstaube oder ein abgeknicktes Gewehr sollte es nicht geben. - Gegen die Tatsache, dass es auch weiterhin Krieg und Gewaltherrschaft gab, konnte man schlecht etwas sagen.

Dann bricht der Ostblock zusammen, und es wird deutlich, wie dünn die Gemeinsamkeiten im Rat und im Ort sind. Nun soll das Denkmal nicht mehr gebaut werden. Allerdings sagen Bürgermeister und Rat, "dass die Entscheidung im Rat bereits getroffen worden sei." - Bei der ganzen Diskussion ist niemandem in den Sinn gekommen, ob es denn auch ein Mahnmal zum Andenken an Flüchtlinge und Vertriebene sein könne. Das Kriegerdenkmal ist "unsern tapfern Helden" gebaut, also für die Soldaten. Für Flüchtlinge und Vertriebene gibt es in unseren Dörfern kein Denkmal - allenfalls im Bürgerpark in Bremerhaven. - Oder doch? - Flüchtlinge und Vertriebene sind zweifelsohne "Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft". Demnach hat Lunestedt doch ein Denkmal für Flüchtlinge!

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