Zusammengestellt vom Ortsheimatpfleger Arnold Plesse.
Bearbeitungsstand: 07.08.2012
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Kommunale Strukturen:

Von den beiden kleinen Gemeinden Freschluneberg und Westerbeverstedt zur Samtgemeinde Beverstedt - und zur Einheitsgemeinde

Einzelgemeinden

Über viele Jahre hin waren die beiden Orte je für sich eine Gemeinde. Sie hatten einen eigenen Bürgermeister (siehe die Aufstellung der Bürgermeister und Ratsmitglieder), gründeten 1902 (Freschluneberg) bzw. 1905 (Westerbeverstedt) ihre eigene Feuerwehr (Feuerwehrchronik S. 4 ff) und hatten auch ihre eigenen Sportvereine (Fußballchronik S. 2 ff) und natürlich eigene Schulen (Schuljubiläum, S. 35 ff).

Aus Freschluneberg und Westerbeverstedt wird Lunestedt

Zum 1. Juli 1968 schlossen sich die beiden Gemeinden freiwillig zur Gemeinde Lunestedt zusammen. Das geschah noch vor der gesetzlich erlassenen Gemeindereform 1974 und der Kreisreform am 1. August 1977, die die Landkreise Land Hadeln, Wesermünde und die kreisfreie Stadt Cuxhaven zusammenfasste zum Landkreis Cuxhaven.

Mitgliedsgemeinde in der Samtgemeinde Beverstedt

Durch den Zusammenschluss Lunestedts und der Nachbargemeinden zur Samtgemeinde Beverstedt kam man der Gemeindereform zuvor. "Die Samtgemeinde Beverstedt gründete sich am 01.04.1971 durch einen freiwilligen Zusammenschluss der damals noch eigenständigen Gemeinden Appeln, Beverstedt, Bokel, Heerstedt, Hollen, Lunestedt, Stubben und Wellen. Ziel war die Wahrnehmung der Verwaltungsaufgaben aller Gemeinden an einer zentralen Stelle. Bereits am 01. Juli 1974 wurde das noch frische Konstrukt Samtgemeinde erneut auf den Prüfstand gestellt. Das niedersächsische Gesetz zur kommunalen Gebietsreform so[r]gte dafür, dass sich die Räte erneut entscheiden mussten. Sie hatten die Wahl zwischen der Ausdehnung der Kompetenzen der Samtgemeinde auf sämtliche Bereich[e] ihrer Verwaltungstätigkeit oder alternativ die Gründung einer Einheitsgemeinde. Die Räte entschieden sich für die Beibehaltung der Samtgemeinde, dieser wurden nun jedoch noch viel weitergehende Kompetenzen zugewiesen als bisher. Ein weiterer Nebeneffekt des Gebietsreformgesetztes war die Eingemeindung der Gemeinden Wollingst und Wellen in den Flecken Beverstedt und Frelsdorf und Kirchwistedt als neue Mitgliedsgemeinden der Samtgemeinde." (Entstehung der Samtgemeinde, im Internet abgerufen am 24.6.09) Die Verwaltung der Schulen, das Ordnungs-, Standes- und Sozialamt, das Feuerwehrwesen, die Haushaltsführung, Bauverwaltung, Jugendpflege und Friedhofsangelegenheiten waren nun Aufgabe der Samtgemeinde.

Die Gemeindeverwaltung Lunestedt blieb zuständig für Gemeindestraßen, Sport, Vereine und den Kindergarten. Das Gemeindebüro hatte zunächst seinen Platz in der heutigen Volksbank (Hauptstr. 2 - ab 2012 Westerbeverstedter Str. 2), zog danach aber als Mieter in das Haus neben der Kreissparkasse (Hauptstr. 14 - ab 2012 Westerbeverstedter Str. 14) um. Gleichzeitig fungierte es aber auch als Außenstelle des Rathauses der Samtgemeinde. Viele Angelegenheiten kann man hier immer noch erledigen.

2006 wurde die Zuständigkeit für den Kindergarten an die Samtgemeinde abgegeben. Die Ratsherren empfanden das als Zwang von oben. Bis dahin hatte die Samtgemeinde einen Finanzausgleich an die Mitgliedsgemeinden gezahlt, die sich den Kindergarten nicht mehr leisten konnten. Das wurde vom Land Niedersachsen untersagt. Ratsherr Wolfgang Dieck (FILU/Dieck) sagte am 13.10.2005 in der entscheidenden Ratssitzung, durch diese Vorgaben beginne "das Ende der Kommunalpolitik". Er sah die Einheitsgemeinde und "von Parteischulen kommende Funktionäre auf uns zukommen." Solche stromlinienförmige Finanzfachleute "sagten uns, wie wir leben sollen." Und Peter Ostermann (SPD) brachte es auf die Formel "Wir sind gezwungen, zuzustimmen, dass der Kiga in die gute Obhut der Samtgemeinde übergeht." (Nordsee-Zeitung (=NZ), 18.10.05)

Auf dem Weg in die Einheitsgemeinde

Ortsschild Lunestedt/Einheitsgemeinde Ortsschild Lunestedt/Einheitsgemeinde


"Bis heute hat sich das Konstrukt Samtgemeinde bewährt. In jeder Mitgliedsgemeinde ist nach wie vor ein Rat und ein Bürgermeister vorhanden, auf Samtgemeindeebene gibt es Samtgemeinderat und Samtgemein[d]ebürgermeister. Alle Gremien bemühen sich, im Sinne der Bürger vor Ort, gemeinsam Hand in Hand zu arbeiten." heißt es auf der Internetseite der Samtgemeinde (s.o.) Doch finanzielle Sorgen zwingen zu anderen Überlegungen. "Die schlechte Finanzlage löste die Diskussion aus. Das Ziel: weniger Verwaltungsaufwand, Verzicht auf Doppelarbeit in Samt- und Mitgliedsgemeinden durch die schlankeren Strukturen einer Einheitsgemeinde, damit verbundene Kostensenkungen zur Teilsanierung des Haushalts", formulierte die Nordsee-Zeitung. Als Ausgangslage beschreibt Redakteur Gerd Wöhlecke: 10 Räte (9 Gemeinden + Samtgemeinde) mit 118 Ratsmitgliedern und mehr als 100 Rats- und Ausschuss-Sitzungen. Als Ausblick sieht er in der Einheitsgemeinde: nur noch ein Rat (rd. 30 Mitglieder), nur noch ein Haushalt, Ortsvorsteher, Erhaltung der Gemeindebüros sowie eine "Prioritätenliste für Maßnahmen (Straßen- und Wegebau, Gebäude), die wegen der schlechten Finanzlage der Mitgliedsgemeinden nicht möglich waren." (NZ, 22.4.09)

Mit einem Flyer "GEHEN SIE MIT UNS !?" kündigt die Verwaltung im April 2009 drei Informationsveranstaltungen für die Bürger in Bokel, Appeln und Hollen an. Aussicht: "Bei Fusionen kommunaler Gebietskörperschaften besteht die Möglichkeit, seitens des Landes einen einmaligen Zuschuss in Höhe von bis zu 75 % des strukturellen Haushaltsdefizites zu erhalten." Das wären bei 10 Millionen Euro Schulden in der SG Beverstedt 7,5 Millionen Euro Zuschuss.

Alle Gemeinderäte der Samtgemeinde befassten sich mit dem Thema. Die letzte Ratssitzung war in Lunestedt am 18.6.09. "Die CDU-Mehrheitsfraktion sprach sich geschlossen für diesen Schritt [Umwandlung der Samtgemeinde in einer Einheitsgemeinde] aus, die SPD-Fraktion und der parteilose Wolfgang Dieck lehnten ihn strikt ab." (NZ 19.6.09) Und dann: "Ein Paukenschlag nach der Abstimmung: Die Lunestedter SPD-Ratsherrn Walter Mülich und Björn Drews traten mit sofortiger Wirkung zurück. ‚Ich kann die Einheitsgemeinde nicht mit umsetzen und positiv gegenüber dem Bürger vertreten', begründete Mülich seine Entscheidung. Drews war der selben Meinung." Mülich warnte vor einer Reduzierung der Debatte auf Finanzfragen: "Leichtfertig würden demokratische und gemeindliche Strukturen zerschlagen. ‚Durch diese Zentralisierung wird die Bürgerbeteiligung, ihr Engagement runtergefahren'" (NZ 20.6.09) Am selben Tag kündigte die Samtgemeinde an, dass der Samtgemeinderat als letzte fehlende Instanz seine Sitzung abgesagt habe. "Ministerwort verwirrt die Beverstedter", war der Zeitungsartikel überschrieben. "Die vom Innenminister erst zugesagte Einmalzahlung wurde gekippt. Grund: die Finanzlage des Landes. ... Auf Anfrage der SPD-Landtagsabgeordneten Daniela Behrens, ... , sagte Minister Uwe Schünemann (CDU) im Landtag, dass anteilig fällige Zins- und Tilgungsleistung aufs Beverstedter Konto überwiesen würden in Höhe von bis zu 75 Prozent' der Kredite." Und weiter heißt es in der Zeitungsmeldung: "Viele Ratsvertreter haben Zweifel an der Zuverlässigkeit des Landes bei langen Laufzeiten."

Der NZ-Redakteur Gerd Wöhlecke kommentiert: "Schluss mit dem Verwirrspiel ... Das Land muss schleunigst eine verbindliche Erklärung, am besten gleich den Vertrag vorlegen. Wasserdicht muss sein, dass Hannover alle Zusagen einhält, ... und sich nicht zwischenzeitlich aus der Verantwortung stehlen kann. Die Räte und Bürger haben einen Anspruch darauf." (NZ 20.6.09)

Am 25. 6. berichtet die NZ von einem Anruf des niedersächsischen Innenministers in der Redaktion. "Das Land übernimmt 75 Prozent der Kassenkredite", stellte er im Telefonat klar. "Es gilt mein Wort." Die Zahlung erfolge ab 2012 für Zins- und Tilgungsleistungen für 75 % der Kassenkredigt "aus einem Hilfsfonds für notleidende und fusionswillige Kommunen. Er soll jährlich mit 70 Millionen Euro ausgestattet werden: je zur Hälfte vom Land und aus dem kommunalen Finanzausgleich als ‚solidarischer Entschuldungsbeitrag der Kommunen'."

"Nachteile für den Bürger"

Unabhängig von finanziellen Überlegungen formulierte Martin Bensen (Fleckenbürgermeister von Beverstedt, SPD) im Sonntagsjournal am 21.6.09 seine Vorbehalte: "Ich sehe vor allem einen enormen Verlust an Bürgernähe." Ortsvorsteher oder Ortsräte "sind im Wesentlichen Anhänge der Verwaltung, anders als Bürgermeister und Ratsmitglieder in den Mitgliedsgemeinden." Über die Finanzen führt Bensen aus: Es handelt sich bei den Leistungen des Landes in Höhe von 7,5 Millionen Euro für die Gemeinde Beverstedt nicht um die Verringerung der Schulden um 75 %. "Dieser Wert bezieht sich nur auf die Kassenkredite, also die Kredite für den laufenden Haushalt. Unberührt bleiben die 12 Millionen Euro Schulden, die für Investitionen aufgenommen wurden." Außerdem kritisiert Bensen, dass die Gemeindefinanzen in ihrer Struktur nicht verändert werden. Die Finanznot sei ja Schuld des Landes "durch Senkung des Gemeindeanteils an der Finanzmasse des Landes, durch Einnahmeverluste auf Grund von Steuersenkungen, zu hohe Kreisumlagen und neue kostenträchtige Aufgaben. ... Die 7,5 Millionen Euro bedeuten eine Zinsentlastung. Aber dafür entfallen auch die Bedarfszuweisungen vom Land. Und diese waren in den vergangenen Jahren jährlich weit mehr als das Doppelte der erwarteten Zinsentlastung. Ich fordere: Schluss mit dem finanziellen Austrocknen unserer Gemeinden, ob Samt- oder Einheitsgemeinden. ... Hier stellt sich das Land als großzügig dar, obwohl es uns erst in diese Situation gebracht hat."


Der Übergang von der Mitgliedsgemeinde Lunestedt

(in der Samtgemeinde Beverstedt)

in die Ortschaft Lunestedt

(der Einheitsgemeinde Beverstedt)

mit einem Ortsvorsteher


In der Sitzung des Lunestedter Rates im Oktober 2009 wurden Björn Drews und Walter Mülich als Ratsherren verabschiedet. Bernhard Behrens rückte bis zur Bildung der Einheitsgemeinde nach. In der Ratssitzung im Dezember wurde auch Manfred Müller als Nachrücker verpflichtet. Wolfgang Dieck trat mit Wirkung ab 1.1.2010 zurück. Sein Fazit: "Alles sieht so aus, als wenn die Bildung der Einheitsgemeinde unbedingt erreicht werden soll - und zwar so kostengünstig wie möglich für das Land." Dem könne er nicht zustimmen. Er werde den Vertrag aber auch nicht ablehnen, weil er seine Skepsis nicht durch Fakten untermauern könne. Sein Mandat im Samtgemeinderat behalte er - er wolle "keine neuen Mehrheiten schaffen". (NZ 5.12.09)

Am 5. Februar 2010 kommen Ministerpräsident David McAllister und Innenminister Uwe Schünemann nach Beverstedt, um mit Samtgemeindebürgermeister Ulf Voigts den "Zukunftsvertrag" zu unterzeichnen. "Darin sichert das Land zu, 75 Prozent der bis Ende 2011 aufgelaufenen Kassenkredite zu übernehmen. Die Kredite, ... , waren und sind erforderlich zur Deckung der Haushaltslöcher. Sie werden sich bis Ende nächsten Jahres auf voraussichtlich 13 Millionen Euro summiert haben. ... Die Beverstedter dürfen ihre freiwilligen Ausgaben bis 2020 nicht erhöhen. ‚Und Sie müssen bis dahin ihren Haushalt ausgeglichen haben', sagte der Minister." (NZ 6.2.2010)

letzter Gemeinderat
Am 6. Oktober 2011 tagte der Lunestedter Gemeinderat zum letzten Mal.
(Von links: Hans-Erich Hinnrichs, Claas Götjen, Thomas Jacob, Bernhard Harfst, Ulf Voigts, Bernhard Behrens, Thomas Hamann, Manfred Müller, Hans Woltmann, Astrid Wagenschütz (Gemeindeangestellte), Andrea Ullrich und Manfred Woltmann)


Mit Wirkung ab 1.11.2011 ist aus der Samtgemeinde die Einheitsgemeinde Beverstedt geworden, nachdem am 11.9.2011 die Kommunalwahl stattgefunden hatte. (Gesetz über die Neubildung der Gemeinde Beverstedt, Landkreis Cuxhaven, vom 17. Februar 2011, Nds. GVBl. 2011, 61)

Manfred Woltmann (CDU) wird erster Ortsvorsteher der Ortschaft Lunestedt. (Das Recht, dem Gemeinderat einen Ortsvorsteher zur Ernennung vorzuschlagen, hat die Partei, die in der Gemeinderatswahl die meisten Stimmen in der Ortschaft errungen hat.) 61 Änderungen von Straßennamen wurden am 19.3.2010 vom Beverstedter Gemeinderat beschlossen, weil in einer Gemeinde keine doppelten Straßennamen existieren dürfen. In Lunestedt gibt es folgende Änderungen: Zum Lunebogen (bisher: Bahnhofstraße), Zum Waldblick (bisher: Breslauer Straße), Am Buchenweg (Buchenweg), Danziger Bogen (Danziger Straße), Westerbeverstedter Straße (Hauptstraße), Vorm Dorfe (Königsberger Straße), Ahornweg (Kurze Straße), Freschluneberger Straße (Lange Straße), Alte Mühlenstraße (Mühlenstraße), Am Dorphuus (Schulstraße), Lindenstraße (Teile der Schulstraße und der Lindenstraße - neue Nummerierung), Heerstedter Straße (Wesermünder Straße). Wegen der Straßenumbenennungen mussten Personalausweise und Fahrzeugscheine geändert werden.
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