Bearbeitungsstand: 15.11.2007
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Darstellung in der Festschrift "1100 Jahre Westerbeverstedt"
Verweis auf das Buch "Swatte Smeer" von Lutz Höppner über den Hexenprozess
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Gesche Milden und ihr Buhle

Kurt Eckert
(aus: Nordsee-Zeitung v. 13.4.1950)

Alte Hexereien bei Westerbeverstedt - Aus verstaubten Altluneberger Akten

Auf dem Gute Altluneberg wurde im vergangenen Jahre ein umfangreiches Archiv entdeckt, das in emsiger Arbeit von Lehrer Heinemann und dem Entdecker der Schätze, Archivrat Weise, gesichtet wurde. Unter den Bergen von Dokumenten fanden sich Akten über einen Hexenprozeß in Heyerhöfen im Kreise Wesermünde, die zu den interessantesten Papieren der Sammlung gehören. Die Prozeßunterlagen sind an Hinweisen und Aufschlüssen so reich, daß man sie als einmalig in der überlieferten Geschichte der Hexenverfolgungen ansprechen kann, Lehrer Heinemann ist Hexenprozeßspezialist geworden. Der Prozeß fand 1607 mit über 12 Angeklagten und vielen Folterungen statt, bei denen zwei Frauen starben. Anlaß waren die Krankheit und der Tod des Borchert Brockmann aus Westerbeverstedt, dem die Dorfwirtin Engell von Grollen "weißen Senf und Dillensaat" ins Bier getan und ihn damit verhext haben soll.

Am wertvollsten ist die "Urgicht" (=Geständnis) der Hauptangeklagten von Grollen, die am 14. August 1607 mehrere "höhnische Fragen auszustehen hatte" (=Vernehmung unter der Folter). Hier gestand sie, daß "ihr Buhle Löffelmann heiße. Er habe zugesagt, sie solle keine Not haben, solange sie lebe. Sie habe Geld und Goldes genug bekommen. Da sie aber zugesehen, sei es Dreck gewesen. Gesche Milden ihr Buhle heiße Lazarett."

Auch die Hexenzusammenkünfte sind in dem Geständnis der Grollen beschrieben. In der Sandkuhle in Westerbeverstedt trafen sie sich. "Da sei ihr Buhle stets bei ihnen und er sei gar schön. Alsdann singen sie 'Frischen Morgen! Mein Weidericke left (lebt)!' Greten Witten sei die 'Trummenschlegersche' (=Trommelschlägerin). Die Trummen hätten sie aus 'Fossefellen' (=Fuchsfellen) gemacht und mit 'Schlegel ut Ellehörn' (=Stöcke aus Holunder) draufgeschlagen."

In der Folterung bezichtigte Engell von Grollen das halbe Dorf der Hexerei. Hierbei war auch ein Mann. "Er hätte das Handwerk von seiner Mutter gelernt und sein Buhlerin heiße 'Löddick Wert'." Engell berichtet noch mehr. "Sie habe in der Beilade einen Pott mit schwarzer Schmerung (=Salbe). Die hätte ihr der Teufel getan. Die brauche sie des Donnerstagabends unter die Arme. Da könne auch ein anderer mit fortfahren, wenn er Gott verlasse;" er würde dann mit dem "Dat tut, dat tut, tom Rochlook hinut!" (=zum Rauchloch hinausfliegen). Zum Schluß gesteht sie: "Ihr Buhle habe ihr gesagt, sie solle sich hart halten. Er wolle ihr helfen. Sie solle nicht bekennen."

Das sind die letzten Aufzeichnungen von Engell von Grollen. Kurz nach der Folterung ist sie gestorben. "Der Teufel hat sie erwürget", steht in dem Protokoll.

Der Richter, der Altluneberger Gutsherr Lüder Bieker, muß nach den Auswertungen der Prozeßunterlagen, einer der ersten Männer gewesen sein, der gegen den Unsinn der Hexenverfolgung Front gemacht hat. Er versuchte schon den Ankläger, den Bauern Heinrich Habers, abzuwehren und schloß ihn sogar "in die Helden" (=strengstes Gewahrsam), da er dem ungläubigen Richter die Faust gezeigt hatte. Erst auf den Druck der anderen Gerichtsherren hin eröffnete er den Prozeß. Schon am ersten Gerichtstag ermahnte er die Geschworenen zu vorsichtigem Urteil, "im Hinblick auf die unbedachten Handlungen in den benachbarten Gebieten".

Auch die von der verstorbenen Grollen angeschuldigten Personen, die er in den Protokollen als "arme Menschen" bezeichnete, wollte Bieker anfangs nicht foltern. Die Unterlagen berichten von einem Skandal innerhalb des Gerichtes. Lüder Bieker hatte bei den fürstlich-erzbischöflich bremischen Räten entgegen des Gerichtsbeschlusses ein Rechtsgutachten erbeten, in dem es dann hieß: "Die gefolterten Personen sind nochmals, jedoch auf mäßige Art, peinlich zu befragen (=foltern). Wenn sie weiter leugnen, sollen sie gegen Kaution freigelassen werden. Die übrigen Personen sind unter Androhung der Folter zu verhören, jedoch nicht zu foltern."

Die Verlesung des bremischen Gutachtens führte zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen den Geschworenen und dem Richter. "Sie würden sich wohl unterweisen lassen", ist die protokollarische Aussage des Geschworenen Diedrich Wittbalke, "die von Grollen habe sich das aber nicht aus den Fingern gesogen." Erst der Vorschlag Lüder Biekers, den Prozeß nochmals von der "unparteiischen Universität" Helmstedt überprüfen zu lassen, fand die Zustimmung. Hier brechen die Akten ab. Lehrer Heinemann vermutet, daß ein Teil des Archivs Anfang dieses Jahrhunderts bei einem Besitzerwechsel des Gutes ausgelagert wurde. Er hofft, daß seine Nachforschungen auch die letzte Urkunde dieses Prozesses zutage bringen.



Die Westerbeverstedter Hexen 1607

Aus: Dr. Wilhelm Stölting, Westerbeverstedt,
1100 Jahre, Geschichte eines niedersächsischen Dorfes,
Festschrift der Gemeinde Westerbeverstedt, 1960
Eines der schwärzesten Kapitel aus der Geschichte unserer Gemeinde Westerbeverstedt behandelt die Geschehnisse im Spätsommer und Herbst des Jahres sechzehnhundertundsieben. Zwei Menschenleben fielen vor nicht mehr als 350 Jahren einem Massenwahn zum Opfer, der auch in anderen Teilen unseres Vaterlandes unzählige Unschuldige in bitterste Not und in den Tod hetzte. Wir fragen uns heute entsetzt: "Wie war es möglich, daß unsere nüchtern denkenden Landsleute diesem Aberglauben verfallen konnten, dazu noch in einer Zeit, in der wachsende Massenbildung und entschiedene Stellungnahmen einflußreicher Persönlichkeiten diesem Irrsinn jede Berechtigung bestritten hatten?"

Wie kam der Hexenwahn in unser Land? Das althochdeutsche Wort hagazisse, hagasiza, von dem heute die Bezeichnung "Hexe" abgeleitet wird, bedeutet nicht mehr als eine im Hägen, ursprünglich einer Waldrodung, also in Feld und Flur sitzende Person, wie sie etwa Beeren- und Kräutersammler darstellen. Wir nehmen heute an, daß diese hagazissen oder hagasizen aus Erbwissen und eigener Erfahrung nicht nur die verschiedenen Kräuter kannten, sondern auch um ihre wohltätigen Wirkungen bei allerlei 'Krankheiten wußten. Sie waren die "Naturärzte" ihrer Zeit, die von Leidenden aller Art aufgesucht wurden. Vielleicht traute man ihnen gelegentlich auch böse Wirkungen zu, denn in Feld und Wald wachsen neben heilsamen auch schädigende Kräuter. Die Verbindung mit teuflischer Zauberei ist jedoch orientalischen Ursprungs, sie war gebunden an den Teufelsglauben, den unsere Ahnen nicht kannten.

Vom 13. bis zum 16. Jahrhundert wütete dieser Massenwahn, um im 17. Jahrhundert langsam einzuschlafen. In einem 1489 erschienenen, von Krämer und Sprenger verfaßten Buche "Malleus maleficarum", dem berüchtigten "Hexenhammer", fanden die Verfechter des Hexenwahns eine Sammlung der widerlichen Anschuldigungen, die sie zum Gegenstand ihrer Anklagen machten. Mit Hilfe der Folter erreichten sie Geständnisse, die diesem Lehrbuch entsprachen. Das läßt sich auch im Westerbeverstedter Fall feststellen.

Was war nun geschehen? Den Krug in Westerbeverstedt bewirtschaftete Engel von Grolle, allem Anschein nach schon eine reifere Frau, die in das Dorf zugezogen war. Sie muß einen gewissen Ruf als Kräuterkennerin gehabt haben und war deshalb schon Ende der neunziger Jahre des vorangehenden Jahrhunderts einmal wegen "Zauberei" angeklagt, vom Richter Arend Bicker jedoch freigegeben worden. Immerhin, es blieb etwas hängen, der Leumund der Engel von Grolle war wohl nicht mehr der beste. Das hinderte die Männer kaum, in den Krug zu gehen, ebensowenig diese und ihre Frauen, die heilenden Künste der Engel von Grolle in Anspruch zu nehmen.

So saßen nun an einem warmen Abend Borchard Brockmann und Johann Hülseberg, sein Nachbar, bei der "Krögerschen" und sprachen fleißig dem Biere zu. Dazu verleitete weniger das sommerliche Wetter als die Tatsache, daß es ein besonders gutes Bier gab. Borchard hatte ein Fäßchen bremischen Biers mitgebracht, das Engel bestellt hatte. Der große Durst Brockmanns und seines Freundes Hülseberg entsprach jedoch nicht recht dem Geschäftssinn der Wirtin, die wohl oder übel als Fuhrlohn Freibier ausschenken mußte. Bei passender Gelegenheit bot sie also Feierabend. Den Männern gefiel das nicht, und Brockmann forderte nun von der Wirtin Bezahlung für das Herschaffen des Fasses. Es gab Streit, aber schließlich einigte man sich, Brockmann bekam Bier und bat nun die Nachbarin, ihm noch ein Mittel gegen den Scharbock zu geben, eine Vitaminmangelkrankheit, die bei der einseitigen Ernährungsweise früherer Zeiten sehr verbreitet war. Die Krögerin tat ihm ein Mittel in seinen Trunk, wie sie später angab, Senfsaat und Dillsamen.

Wenige Tage später starb Brockmann. Seine Angehörigen gaben nicht seiner Krankheit, sondern dem "Heilmittel" die Schuld. Borchards Sohn, Cordt Brockmann, erstattete Anzeige gegen Engel von GrolIe beim Gericht zu Beverstedt. Richter war zu dieser Zeit Lüder Bicker aus dem Geschlecht der Luneberger. Er erschien in den Nachrichten über ihn als ein in der Jugend wilder, aber aufgeklärter Mann, der bildungsmäßig über seinen Standesgenossen stand. Ihm selbst waren abergläubische Vorstellungen schon fremd, die Umstände zwangen ihn aber, zu handeln. Unter Bezugnahme auf die "Halsgerichtsordnung" Karl V. von 1532 ließ er nicht nur die Beschuldigte, sondern auch den Kläger verhaften und ins Gefängnis transportieren. Sodann berief er das "Peinliche Notgericht" für den 14. August, einen Dienstag, an die alte Gerichtsstätte in Heyerhöfen. Lüder Bicker war nicht ohne eine juristische Waffe gegen den Hexenwahn erschienen, er las den Gerichtsleuten ein Edikt des Erzbischofs Johann Friedrich von Bremen aus dem Jahre 1603 vor, betitelt "Edikt in Zauberei-Sachen", in dem der weltliche und geistliche Oberhirte gegen die Hexenverfolgung Stellung nahm und nur gewisse grobe Ungesetzlichkeiten der Bestrafung zuführen wollte. Lüder Bicker bezeichnete dabei dieses Edikt als eine "Reformation", eine fortschrittliche Tat, seine Gerichtsleute erklärten sich jedoch für das "alte Recht, wie es im Gericht Beverstedt immer gebraucht" worden sei. Demgemäß wurde die "peinIiche Befragung" beschlossen, Engel von Grolle sollte die Folter erleiden.

Die Angst vor der Marter veranlaßte die Angeklagte zu einem "Geständnis", in dem wir heute eine letzte Rache an den sie beschuldigenden Nachbarn sehen: Sie zeigte ihre "Freundinnen" Becke Hülseberg (die Frau von Johann Hülseberg), Gesche Milde und Gesche Veltmann als Mithexen und Teilnehmer an teuflischen Orgien an. Nach diesem Geständnis nahm sie ein mitgebrachtes Gift ein, anscheinend eines, das den Tod unter krampfartigen Erscheinungen herbeiführte, denn hernach wurde behauptet, der Teufel habe sie erwürgt.

Mit dem Tode der Angeklagten war für den Richter Lüder Bicker dieser "Fall" erledigt, er hatte kein Interesse daran, den Beschuldigungen der Toten nachzugehen. Seine Gerichtsleute, noch im Wahn befangen, waren gegenteiliger Meinung. Insbesondere die Vettern Bickers, Christoffer von Luneberg auf Freschluneberg und Johann von Düring, standen gegen ihren Verwandten. Christoffer glaubte zudem, Grund zu einer Privatrache zu haben, weil er eine Krankheit seiner Schwester auf "Hexerei" zurückführte. Er zog also widerrechtlich mit einigen Leuten nach Westerbeverstedt, nahm dort die angeschuldigten Frauen fest und brachte sie seinem Vetter in Altluneberg.

Lüder Bicker blieb nun nichts anderes übrig, als für den 25. August, den nächstfolgenden Sonnabend, das Notgericht wiederum nach Heyerhöfen zu berufen. Dort beantragte er sofort die Freilassung der Frauen auf Grund der Vorschriften des Ediktes von 1603. Die Gerichtsleute, allen voran die Herren Vettern, widersprachen und forderten die Folterung. Die bedauernswerten Frauen baten um die "Wasserprobe", um ihre Schuldlosigkeit öffentlich nachzuweisen. Das mußte Lüder ablehnen, weil diese Art der Unschuldserweisung im Edikt verboten war. Dagegen beantragte er, eine Rechtsbelehrung beim erzbischöflichen Obergericht in Bremen einzuholen. Er hoffte, damit sowohl Zeit zu gewinnen, als auch in seiner Rechtsauffassung unterstützt zu werden. Das wurde abgelehnt und die Folterung beschlossen. Lüder schrieb nun auf eigene Faust nach Bremen.

Am 11. September wurde die entsetzliche Prozedur vorgenommen. Becke Hülseberg und Gesche Milde gestanden, was man von ihnen verlangte. Als die Folterung beendet war, widerriefen sie ihre Geständnisse, wonach sie an bestimmten Stellen in Westerbeverstedt, in der "Sandkuhle", auf dem Brink hinter Hülsebergs Haus, dem "Rüsterkamp unter dem Hagen" und auf Johann Bischofs Hof teuflische Feste gefeiert hätten. Eine angeblich dabei von ihnen verspeiste Kuh von O. Brünjes (an anderer Stelle hieß es von Johann Brüning) wurde später noch lebend vorgefunden. Eine der Angeschuldigten gestand nicht, Gesche Veltmann blieb standhaft, bezahlte aber diese Standhaftigkeit zwei Tage später mit dem Tode.

Die von Lüder Bicker in Bremen angeforderte Rechtsbelehrung erwies sich als Schlag gegen ihn, es wurde für die Hauptangeklagten "wegen ihres schlechten Rufes" die Anwendung der zweiten, sog. "scharfen" Folter empfohlen. Der Vetter Christoffer hatte inzwischen noch eine weitere "Mitschuldige" ausfindig gemacht, die "Meyersche", deren Festnahme Bicker ablehnte. Das Gericht entschied wieder gegen ihn.

Am 22. Oktober fand die zweite "Befragung" statt, wieder gestanden die Frauen, um anschließend ihre Geständnisse zu widerrufen. Ohne Beweise, die nicht beizubringen waren, oder eigene Geständnisse der Angeklagten konnte kein Urteil gefällt werden. Demgemäß beantragte Lüder Bicker am 27. Oktober 1607, diese "gering Beschuldigten" freizulassen. Das Gericht mußte nachgeben, man beschloß die Gefangenen "gegen eine genugsame Caution" freizulassen. Das bedeutete keinen Freispruch, der Prozeß konnte unter Umständen weitergeführt oder jederzeit wieder aufgenommen werden.

Es ging jedoch nicht weiter. Ob die vorgesetzte Behörde, das erzbischöfliche Obergericht, sich nun doch eingeschaltet hat, ist ungewiß, die Akten über diesen Hexenprozeß, die heute im Altluneberger Gutsarchiv aufbewahrt werden, sagen nichts weiteres mehr aus.

Becke Hülseberg, Gesche Milde und die "Meyersche" kehrten also nach Westerbeverstedt zurück, die Krögersche Engel von Grolle und die standhafte Gesche Veltmann waren tot. Wie mögen die Zeitgenossen nun über diese Angelegenheit gedacht haben, wie mag sich das weitere Leben der Freigelassenen gestaltet haben? Wir wissen es leider nicht.

Während wir die Schuldlosigkeit der übrigen Frauen annehmen können, können wir die Hauptangeklagte Engel von Grolle nach den Akten nicht ganz als unschuldigen Engel ansehen. Dabei berücksichtigen wir allerdings, daß dort ein Interesse vorlag, die "Krögersche" in recht düsteren Farben zu schildern. Die Frage, ob die von ihr gegen den Scharbock (Skorbut) des Brockmann gegebenen Mittel, Senf und Dill, giftiger Natur gewesen seien, muß wohl verneint werden. Senf wird in einem Lexikon von 1784 ausdrücklich als Mittel gegen Scharbock empfohlen:
"Der Senff hat eine trocknende, zertheilende, verdauende und dem Scharbock widerstehende Krafft". Dem Dill wird eine überwiegend die Verdauung günstig beeinflussende Wirkung zugeschrieben. Auch in neuesten Heilkräuterbüchern kommen beide Kräuter gut davon: Sie gelten als Standardmittel der Volksheilkunde. Weil aber Engel neben diesen Mitteln auch über die Kenntnis von Giften verfügte, wie aus der eigenen Anwendung hervorgeht, bleibt es nicht ausgeschlossen, daß sie tatsächlich dem Nachbarn Brockmann in ärgerlicher Aufwallung "etwas ins Bier tat".

Wer will es ihr heute beweisen? Die Frauen aus Westerbeverstedt lebten im Übergang zu neuen und besseren Erkenntnissen. Wäre die Anklage gegen sie anderthalb Jahrzehnte später erhoben worden, hätte man sie von der oberen Gewalt aus energisch zurückgewiesen, wie es Anno 1619 bei einem erneuten Prozeß vor dem Gericht Beverstedt geschah. Das offizielle Ende für die Hexenprozesse in unserem Raum brachte dann 1649 ein Verbot der Hexenverfolgung durch die neue Herrscherin Königin Christine von Schweden, die Tochter König Gustav Adolfs.




Artikel in der Nordsee-Zeitung (am 8. Oktober 2007) über ein Buch von Lutz Hoeppner

Pfarrer berichtet über Hexenprozess

Lutz Hoeppner veröffentlicht Chronik über 400 Jahre alten Stoff

Beverstedt (agp). "Nach der Unterweisung der Schüler war ich von Beverstede aufgebrochen, weit nach Herstede zu gegangen und dann dem Lauf des Baches gefolgt" - so ließ Lutz Hoeppner seine Titelfigur das Gebiet abschreiten, in dem sein Erstlingswerk "Swatte Smeer" spielt.

Lutz Hoeppner
Lutz Hoeppner, Foto: agp

Der Beverstedter Pfarrer Johann Weisvogel war unterwegs zum Haus der als Hexe eingekerkerten Gesche Milden, um die Swatte Smeer zu finden. Damit wollte er seinen Arm einreiben, der nach dem Biss einer Kreuzotter immer noch schmerzte. Schon einmal hatte Gesche Milden dem Pfarrer geholfen. Er war beim Fangen von "außergewöhnlichen Schmetterlingsexemplaren in den Auwäldern an der Lune" unvorsichtig gewesen und von der Schlange attackiert worden.
Lunestedts Bürgermeister Manfred Woltmann bescheinigte Hoeppner: "Wer sich da auskennt, hat genau die Örtlichkeiten vor Augen. Ich bin als Jäger schon oft diesen Weg am Dohrener Bach entlang gegangen." Doch es handelt sich nicht um einen Heimatroman, der im Gemeindehaus der Beverstedter Kirche vorgestellt wurde.
Die "Gewissensbisse des Pfarrers Weiskirch ob seines moralischen Versagens" fänden sich in seiner Lebensbeichte, betonte Hoeppner. Damals wie heute sei es schwer gewesen, "christliche Tugenden in das dörfliche Leben zu predigen". Am 400. Jahrestag des Hexenprozesses sei es immer noch ein "positives Beispiel für die Besonnenheit" des "vorsichtigen vielleicht sogar toleranten" Richters Lüder Bicker aus Altluneberg.
"Die allerklügsten Köpfe der damaligen Zeit standen hinter der Verfolgung und systematischen Vernichtung von Menschen", berichtete der Autor. Schon 1994 hatte er den Stoff zu einem Theaterstück auf der Wachholzer Freilichtbühne zusammengetragen. Nun hat er ihn zu einer "Chronik des Hexenprozesses" in Beverstedt-Heyerhöfen verarbeitet.
"Schreiben ist einsamer als Theaterspielen", meinte Lutz Hoeppner vor den über 50 Zuhörern, "aber es macht auch Spaß". Und den hatte der pensionierte Beverstedter Lehrer auch bei der Darlegung, wie die "Chronik" durch die Jahrhunderte erhalten blieb. Am 30. April 1972 führte das sogar zu einem Antrag, die Beverstedter "Lehranstalt in Engel-von-Grollen-Schule" umzubenennen.
Auf die Zuhörerfrage, wo denn die Unterlagen heute seien, antwortete Hoeppner verschmitzt: "Da ich nicht mehr in der Schule bin, sind sie da auch nicht mehr!"

Lutz Hoeppner hat ein Buch "Swatte Smeer, Chronik des Pfarrers Johann Weisvogel über den Beverstedter Hexenprozess 1607" geschrieben,
Selbstverlag: L. Hoeppner, Lunsheide 9, 27616 Beverstedt, ISBN: 978-3-00-022426-3, 16 Euro

Anton Praetorius, Kämpfer gegen Hexenprozesse, Informationen und Publikationen von Hartmut Hegeler

Informationen über Hexenverfolgung auf der Internetseite von Bernd Krämmer

In Lemgo gibt es ein "Hexenbürgermeisterhaus" (Museum) - Auf der Internetseite gibt es einen Rundgang durch die Hexenverfolgung in der frühen Neuzeit

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