Zusammengestellt vom Ortsheimatpfleger Arnold Plesse.
Bearbeitungsstand: 13.01.2005
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Die Hollener Bauern verkauften ihre "Nachweide" an die Westerbeverstedter
In der Chronik "900 Jahre Hollen" wird über die Entstehung der Lunebrücke berichtet - hier ein Auszug aus der Hollener Chronik


Bei der Erarbeitung der Chronik der Gemeinde Hollen
fand sich im Staatsarchiv Stade ein Vertrag
zwischen den Hollener und Westerbeverstedter Bauern.



Die Hollener verkaufen 1782 ihre "Nachweide"
an die Westerbeverstedter Bauern (1)


Am 6. Juli 1782 haben die "Eingesessenen" von Hollen sich beim Hagener Amt beklagt. Auf Lunewiesen (genannt die "Böger", an der Grenze zur Wittstedter und Düringer "Gemeinheit") hätten sie nach Jacobi(2) ein Recht zur Abweidung (=Frettung), nachdem die Wiesen von den Westerbeverstedtern gemäht worden seien (=Nachweide). Dieses Recht wäre ihnen aber nicht viel wert. Zum ersten würden die Wiesen von den Westerbeverstedtern "wie leicht zu denken wäre, gantz kahl gemacht". So hätten sie zuerst nichts darauf zu fressen. Und "gegen Michaelis(3) stünden sie die mehrste Zeit schon unter Waßer". Außerdem wären die Wiesen für die Hollener ziemlich abgelegen - für die Düringer und Wittstedter wären sie aber bequem zu erreichen. Deshalb würde deren Vieh zur Nachtzeit auch "daß mehrerste Graß darin auffreßen". Zum dritten hätten sie mit den Westerbeverstedtern immer Streit. Die würden nämlich ihr Heu immer noch "nach alten Jacobi" darin stehen haben und wollten dann kein Vieh zum Grasen darin dulden.

"Aus diesen Gründen, und weil die Westerbeverstedter ihnen ein gut Stück Geld dafür geben wollten, wären sie gewillt, der Dorfschaft Westerbeverstedt die Frettung auf dem Böge abzutreten, und völlig zu überlaßen." So baten sie das Hagener Amt "gehorsahmst, ihnen zu Erlangung Königl. Kammer Einwilligung behülflich zu seyn".

Das Amt erklärte zu dem Antrag, "dass selbiger nächstens in genauern Untersuchung gezogen und von dem Befinden königlicher und churfürstlicher Cammer zu hoher Entschließung das nöthige einberichtet werden solle". Die Hollener Bauern müssten aber noch ein namentliches Verzeichnis der Wieseneigentümer beibringen - mit der Bemerkung "wohin selbige bemeyert" (4) wären. Das taten sie am 24. Juli. Hinrich Haren, Hinrich Frerks, Arend Götjen, Albert Rös, Hinrich Heins und Hinrich Börger waren königliche Meyer aus dem Amt Bremervörde. Johann Börger und Hinrich Seebeck waren "Meier an den H. von Krug im Schwanewedel" und Jacob Bischoff war "Meyer an die Majorin von Göben zu Osterndorf".

Am 14. Oktober 1782 wurden "die Achtsleute(5) Johann Sasse aus Lohe, Hinrich Ficke aus Axstedt und Johann Mehrtens aus Lehnstedt" vereidigt und instruiert, worauf sie achten sollten, wenn sie die "an der Luhne in der so genannten Böge belegenen Wische der Westerbeverstedter" in Augenschein nähmen. Sie sollten drei Fragen schriftlich beantworten: "1.) Wie vieles Vieh die Hollener zur gehörigen Bestellung ihres Bekerlandes wirklich halten müssten? 2.) Ob sie solches Vieh alles mit der Heuwinnung von ihren Wischen durch den Winter bringen können? Und endlich insbesondere 3.) Ob die Hollener für dieses Vieh, welches sie auf ihren Acker haushälterisch halten sollten und mit eigenem Heu durchfüttern können, auf ihren Meyer-Wischen und in ihren sonstigen Heu und Weide genugsahm Herbst-Frettung behalten; wenn sie gleich die auf der vorerwehnten Westerbeverstedter Wischen ihre zuständige Nachweide [nachträglich eingefügt: vom alten Jacobitag an] deren Eigenthümer abstehen?"

Die Hollener Eingesessenen sollten nun dafür sorgen, dass "die Achtsleute ihrer Instruction ohne alle Hinderung nachleben können". Am 23. Oktober übergagen die drei Achtsleute ihr Gutachten und fügten auf nähere Nachfrage noch hinzu, "daß diese Nachweide den Hollenern in alle Wege entbehrlich überdies aber wenig nutzbahr sey".

Das Gericht Beverstedt legte zur näheren Untersuchung den Termin fest: 19. Lujur (=November). Es erschienen die 9 Käufer aus Westerbeverstedt und als Verkäufer: Elias Mehrtens, Hinrich von Hollen der ältere, Carsten Seedorf und Hinrich von Hollen der jüngere. "Hiernächst verfügte man sich zuförderst nach den Westerbeverstedter Wiesen, durchging den größten Theil der Hollener privativen Weide und that endlich, nachdem man sich von der Entbehrlichkeit der den Hollenern darauf zuständigen Nachweide augenscheinlich überzeugt hatte, folgenden Antrag: Man wolle sich Amtswegens um die gnädige Ratification ihres heute eingelieferten Verkaufs-Contracts bei hoher königlicher Cammer bestens verwenden."
Quelle: Staatsarchiv Stade, Rep. 74 Hagen Nr. 1344



(1) Der Text dieses Artikels beruht auf Studien im Staatsarchiv in Stade. Die Erläuterungen in den Fußnoten wurden nach Suche mit "Google" im Internet und nach Angaben in Röhrbein, Heinz Georg, Quellenbegriffe des 16. bis 19. Jahrhunderts, Schriften zur Heimatpflege, Veröffentlichungen des Niedersächsischen Heimatbundes, Verlag August Lax Hildesheim 1991 (vergriffen) erstellt.
(2) Jakobi ist der 25. Juli.
(3) Michaelis ist der 29. September.
(4) Der Meier war ein Zeitpächter. Er pachtete den Hof meistens auf sieben, manchmal auch auf mehr Jahre.
(5) Achtsleute waren Vertrauensleute zur Meldung von Delikten, Urteilsfindungen auf dem Landgericht, zur Untersuchung von Streitigkeiten und Taxierung von Misswachs und Wasserschäden.



Heute verbindet die Lunebrücke die Ortschaften Lunestedt und Hollen miteinander - hier ein Foto von der Einweihung nach dem 2. Weltkrieg. Man kann sich kaum noch vorstellen, wie es früher ohne Brücke ging.

Lunebruecke



Im Zuge der Recherchen zum 900-jährigen Jubiläum des Ortes Hollen wurde im Staatsarchiv Stade auch die Entstehung der Lunebrücke erforscht. Mehr steht darüber in der Hollener Chronik, die gegen Ende 2004 erscheinen soll.



Die Lunebrücke von 1819 ( Irene Hogrewe )

Die Lunebrücke von 1819 ( Irene Hogrewe )

    

(Quelle: Amt Hagen, I. Regiminalia 1819 )

     In alten Zeiten war Hollen durch zwei wichtige Verkehrswege mit anderen Ortschaften verbunden: Der eine war der sogenannte „Karkweg“ von Bokel zur Kirche von Bramstedt; der andere war die Lune, die damals schiffbar war und Hollen mit den Orten an der Wesermündung verband; sie bildete aber auch eine natürliche Grenze zwischen den Börden Bramstedt und Beverstedt. Der Verkehr zwischen Hollen und Freschluneberg wurde nur durch einen Fährmann aufrecht erhalten.

     Im Jahre 1819 konstituierte sich auf der Beverstedter Seite der Lune ein Wegeausschuß, der den Bau einer Brücke über die Lune und einen Wegedamm nach Hollen („Brückendamm“) plante: Bauern aus der Börde Beverstedt brauchten eine verbesserte Möglichkeit, ihre Nutzflächen auf der Hollener Seite der Lune zu erreichen. Diejenigen Einwohner und Ortschaften aus dem Gerichte Beverstedt, welche in der Hollener Gemeinheit Großländereien besitzen und sich der Brücke und des Dammes zu ihrer Benutzung bedienen:


No.

Name der Einwohner

Ortschaften

Besitz in

Tage-

werken

Bemerkungen

 

 

1

Jürgen Dücker       

Altwistedt

1

 

Außer den hier namentlich aufgeführten Einwohnern der Dorfschaft Freschluneberg bedienen sich ebenfalls die noch übrigen Einwohner der Brücke wie auch des Dammes

- sowohl zu Wagen wie zu Fuß, dieses ist auch mit den adelichen Wägen der Fall.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auch benutzen die übrigen Einwohner der Dorfschaft Westerbeverstedt die Brücke wie auch den Damm zu Wagen und zu Fuß.

Desgleichen wird die Brücke und der Damm von der Dorfschaft Heise (Amt Hagen) benutzt.

2

Johann Roes

 

daselbst

3

1

Adolph Paape

Freschlune

-berg

7

 

2

Joh.Friedr. Wittschen

daselbst

10

3

Jost Jürgen Hülseberg

das.

3 1/2

4

Gerd Hinrich Lübken

das.

7

5

Johann Mehrtens

das.

1 1/8

6

Christoph Hülseberg Witwe

das.

 

3

7

Conrad Kampen

das.

 

3

8

Dierk Otten et Consorten

das.

10

9

Johann Nordmann

das.

1 3/4

10

Johann Hinr. Lübken

das.

4 1/8

11

Daniel Paape

das.

2

12

Lüder Tienken

das.

2

13

H. Major v. d. Wisch

das.

5

1

Johann Haaren

Westerbe-

verstedt

2 1/2

 

2

Jacob Bischoff

daselbst

2

3

Christopher Göttjen

das.

 

2 1/2

1

Harm Brünje

Wachholz

 

2

1

Chirurgus Kracke et Cons.

Beverstedt

 

1

Summa der Tagewerke

73 1/2

 

Von diesem Wegeausschuß wurde noch im gleichen Jahr eine Liste des erforderlichen Materials und, soweit absehbar, eine Übersicht über die entstehenden Kosten für den Brückenbau aufgestellt.


 

Reichs-

taler

Gro-

schen

4 Rehm Hölzer 14 Fuß lang, 9 u. 12 Zoll in Kanten, a Fuß 26 Groschen

4 Balken von 20 Fuß lang, 8 Zoll in Kanten, a Fuß 24 Gr.

4 Balken von 13 Fuß lang, 8 Zoll in Kanten, a Fuß 24 Gr.

1 Pfahl von 18 Fuß lang, 9 u. 10 Zoll in Kanten, a Fuß 26 Gr.

8 dito von 16 Fuß lang, 8 Zoll in Kanten, a Fuß 24 Groschen

8 Riegel zu dem Geländer von 6 Fuß land, 6 Zoll in Kanten,

                                                                  a Fuß 12 Groschen

2 Riegel von 30 Fuß lang, 6 Zoll in Kanten, a Fuß 12 Groschen

8 Ableiter, 4 Fuß lang, 6 Zoll in Kanten, a Fuß 12 Groschen

360 Quadratfuß Bohlen, a Stück 12 Fuß lang, 3 Zoll dick, macht

   90 Cubik-Fuß, den Cubik-Fuß zu 48 Groschen macht

  20

 

   26

   17

    6 

   42 

     8

   

   10

    5 

 

   60

16

 

  48

  24

  36

  48

 

 

 

  24

 

 

192 Quadratfuß Bohlen zu den Wangen a Stück 8 Fuß lang, 2 Zoll dick, macht 32 Cubik-Fuß zu 48 Groschen macht

400 eiserne Nägel von 7 Zoll lang a Stück

20 dito von 6 Zoll lang a Stück

für die Zimmerarbeit

 

 

 

Die Kosten für Hand- und Spanndienst sind jetzt noch nicht zu bestimmen, so wie auch der Preis des dazu erforderlichen Rammbocks.

 

   21

    8

    2

   30

 

 259

 

  24

  24

  56

 

______

  12


 

     1820 fand unter der Leitung von Hinrich Martens in Beverstedt im Seedorfschen Haus eine Versammlung statt; dort ging es um die Wahrnehmung der Unterhaltung der Brücke über die Lune und den Wegedamm (Brückendamm ): Dieser Damm wurde bis zum Jahre 1828 von den beiden Gemeinden Freschluneberg und Hollen unterhalten.

        Später gab es immer wieder Streitereien wegen der Unterhaltung der Brücke; es folgten Versammlungen und Ortstermine. Im Jahre 1850 gab Hinrich Martens sogar eine eidesstattliche Erklärung ab, die auf der Vereinbarung von 1820 beruhte. Es wurde erneut eine Einigung erzielt, daß wieder durch gemeinschaftliche „Bauernwerke“ der Ortschaften Freschluneberg und Hollen die Unterhaltung der Brücke sowie des Dammes erneut gesichert war. (Beschluß des Königlichen Amtes zu Stade 1851 )

     1859 wurde bei einer „Luneschau“ der Ämter Hagen, Lehe und der Wasserbau-Justition Geestemünde festgestellt, daß einige Pfosten der Brücke reparaturbedürftig waren; sie wurden daraufhin zum Teil durch neue Pfosten ersetzt.

     Hatten die Hollener in den ersten Jahren nicht allzu viel Interesse an der neuen Brücke, wie man aus ihrer zögerlichen Haltung zur Beteiligung an den Unterhaltskosten entnehmen kann, so änderte sich dies ganz entscheidend in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts: Die Fertigstelung der Eisenbahnlinie zwischen Bremen und Bremerhaven 1862 mit dem Bahnhof Freschluneberg im Jahre 1879 erschloß den Hollenern eine neue Anbindung an den damals aufblühenden Wirtschaftsraum Bremerhaven, und auch die heutige Kreisstraße von Wittstedt nach Heerstedt benutzt die alte, inzwischen mehrfach erneuerte Lunequerung an der Stelle von 1819.