Bearbeitungsstand: 01.06.2008
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Eine im 2. Weltkrieg eingesetzte Rotkreuzschwester erzählt

Anneliese Bartusch, geb. Cordts

Anneliese Bartusch
Ich bin 1938 von Frau Dr. Mallet in Beverstedt zur Schwesternhelferin ausgebildet worden. Frau Wiedenroth, die Frau eines Beverstedter Lehrers, war auch an der Ausbildung beteiligt. Frau Dr. Mallet hat uns (das sind außer mir noch einige Freschluneberger Mädchen gewesen) unterwiesen, wie man Verbände anlegt und Kranke pflegt. Frau Wiedenroth hat uns in Geschichte unterrichtet. Am 30. 1. 1940 wurde ich zur Vorhelferin ernannt. Im Frühjahr 1940 wurde ich eingezogen.

Was der Anlass war, dem Aufruf zu folgen und mich zur Schwesternhelferin ausbilden zu lassen, weiß ich nicht mehr. Ich war 28 Jahre alt und habe 1938 noch nicht an Krieg gedacht. Aber vielleicht gehörte die Schwesternhelferinnenausbildung von oben her zur Vorbereitung des Krieges. Ich mußte mich in Hamburg melden. Die Anlaufstelle war "Besenbinderhof" (Das ist in St. Georg, zwischen den Bahnhöfen Hamburg-Hauptbahnhof und Hamburg-Berliner Tor.).

Von dort kam ich nach Frankreich (Anjou-Maine). Das erste Jahr war noch eine schöne Zeit. Wir sind gereist, nach Paris und nach Biaritz. Wir sind mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. Aber sie hatten uns verboten, bei Juden einzukaufen. Das haben wir dann heimlich gemacht. Die hatten so schöne Stoffe.

Im Frühjahr oder Sommer 1941 kam ich nach Warschau und von dort nach Minsk. Der erste Winter dort war schrecklich. Ganze Züge - Güterzüge - voller Soldaten hatten Erfrierungen. An Beinen, Händen und im Gesicht hatten sie Frostbeulen. Der Eiter trat durch die Verbände. Wir haben sie dann neu verbunden und verpflegt. Die Verbände waren manchmal an den Waggons festgefroren. Wir konnten sie immer nur so lange verpflegen, wie sie im Bahnhof standen. In Minsk gab es kein Lazarett, soweit ich mich erinnern kann. Ausgestiegen ist da niemand, die Züge standen etwa zwei Stunden im Bahnhof. Länger hatten wir nicht für sie Zeit. Im Winter 1943 wurde es dann brenzlig. Und wir hatten gute Kommandanten in Minsk, die haben uns weggeschickt, als es gefährlich wurde. 1943 um die Weihnachtszeit sind wir dann quer durch Deutschland gefahren. Heiligabend haben wir im Zug zugebracht. Wir kamen nach Belfort in Frankreich an die lothringische Grenze. Wir sind mit Zugwaggons gefahren, die von oben mit dem Roten Kreuz bemalt waren, damit wir zu erkennen waren.

Von dort aus sind wir dann nach Rendsburg gekommen. Dort haben wir im Lazarett gearbeitet. Das war vorher eine Schule. 1945 im Sommer bin ich von dort nach Hause gekommen. Ich erinnere mich noch, dass Hermann Kück (der Mann von Anni Kück, Vater von Hermann Kück, der jetzt an der Deelbrügger Straße wohnt) am Bahnhof in Marine-Uniform stand. Er hat mir den Koffeer nach Hause getragen. Den Entlassungsschein habe ich erst am 27. November in Loxstedt bekommen.

Außer meinem Entlassungsschein, in dem ich "by U.S. Army" entlassen wurde "from the Army", habe ich noch eine Reihe weiterer Papier gefunden. Am 5. Januar 1942 wurde ich zur Oberhelferin befördert. Am 6. November 1942 habe ich eine DRK-Zugführerprüfung bestanden. Am 30. Januar 1944 wurde ich zur Haupthelferin befördert, und am 1. September bekam ich eine Auszeichnungsborte und eine Kriegsverdienstmedaille. An die kann ich mich gar nicht erinnern. Vielleicht ist sie in Belfort geblieben, dort wurde unsere Unterkunft zerschossen, wir sind nur mit dem davon gekommen, was wir am Leibe hatten. In der Urkunde steht, dass die Kriegsverdienstmedaille "im Namen des Führers vom Oberkommando des Heeres" verliehen worden ist.

Wenn wir im Heimaturlaub mal was brauchten - wir waren ja richtig in Tracht, mit gestreiften Kleidern und mit einer Haube vom Roten Kreuz -, dann haben wir uns an Bernhard Rahders (das war der Onkel von Ilse Hühnken) im Kreishaus gewandt. Den Sohn von Frau Dr. Mallet habe ich mal auf dem Bahnhof in Minsk geroffen. Ich habe ihm ein Stück Brot zugesteckt, das konnten wir ja. Und dann habe ich später von Frau Dr. Mallet einen Dankesbrief bekommen, die hatten ja auch starken Hunger.


Quelle:
Das Gespräch am 21. Februar 2005 wurde von Arnold Plesse aufgezeichnet.
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