Bearbeitungsstand: 20.04.2009
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Was bewirkte die "Machtergreifung" im Alltag?     "Schutz von Volk und Staat"    Zeitliche Einordnung des 30. Januar     Wie kam es zur "Machtergreifung"?    Wahlergebnisse aus dem Kreis Wesermünde    Wahlergebnisse aus dem Reich   


Die "Machtergreifung" der Nationalsozialisten
in Lunestedt (damals Westerbeverstedt und Freschluneberg) und der Unterweser-Region




Im folgenden sind Informationen über die "Machtergreifung" der Nationalsozialisten in Lunestedt und Umgebung zusammengetragen.
Als Quelle dienten dafür:
Nordwestdeutsche Zeitung von 1933
Jahrbuch der Männer vom Morgenstern Jg. 57(1978) und Jg 61(1982)
Nordsee Zeitung, 5-teilige Serie v. 9.1. - 6.2.1983
mündliche Berichte
Ergebnisse der Internet-Recherche mit Google



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Wer Fehler feststellt oder Quellenmaterial beisteuern kann,
wird gebeten, eine Nachricht an den
Ortsheimatpfleger von Lunestedt, Arnold Plesse,
per Telefon (04748-3930) oder eMail zu geben.




NWZ 300133Titel
Mit dieser Titelseite informierte die Nordwestdeutsche Zeitung (NWZ) am 30.1.1933 ihre Leser über die Ernennung Hitlers zum Reichkanzler.

NWZ300133Kabinett

Auf der Titelseite wurde auch noch die Kabinettsliste veröffentlicht.

Kabinett Hitlers
aus: Nordwestdeutsche Zeitung, 31.1.1933




Fackelzug
aus: Nordwestdeutsche Zeitung, 1.2.1933

Den meisten Menschen ist aus dem Geschichtsbuch ein Foto in Erinnerung von einem Fackelzug, der Hitler huldigte - in Berlin.
Eine damals 12-jährige Lunestedterin erinnert sich, dass es auch hier am Abend des 30.1.33 einen Fackelzug gab. Als Kinder seien sie begeistert mitgelaufen. Der Zug sei wohl von der SA organisiert worden.



Der Abgeordnete Schmidt (Hannover) erklärte in der NWZ, die Regierung Schleicher sei "eine einzige schleichende Krise" gewesen, die einen "bisher unerreichten politischen Wirrwarr gebracht" hätte. "Alle anständigene Deutschen" müßten "sich zunächst einmal mit dem Willen zusammenfinden, sich wie eine Mauer um den Feldmarschall von Hindenburg zu stellen." Der greise militärische Führer aus dem 1. Weltkreig "muß vor allem in diesen Tagen spüren, daß sein Leben im Herzen des Volkes, dem er dient, Wurzeln geschlagen hat."



Den Politikern der damaligen Zeit war schon klar, daß es problematisch war, mit Hitler zusammenzugehen. - Aber sie hatten ein "Zähmungskonzept" entwickelt. Darüber schrieb Theodor Düsterberg, zweiter Bundesführer des Stahlhelm-Bundes nach dem Krieg (1949):
"Am 26.1.33 fand eine Besprechung Papens mit Hugenberg, Seldte und mir statt. ... (Papen) schloß mit der Forderung, daß wir uns Hitler zu unterstellen hätten, auch der Stahlhelm. Seldte, ..., erklärte seine grundsätzliche Bereitschaft. Ich widersprach und warnte vergeblich vor der Dynamik der Hitlerschen Natur und seiner fanatischen Massenbewegung. Hugenberg suchte meine Gedanken mit dem Hinweis zu entkräften, daß ja nichts passieren könne. Hindenburg bleibe Reichpräsident und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, Papen würde Vizekanzler, er übernähme die ganze Wirtschaft, einschließlich der Landwirtschaft. Seldte das Arbeitsministerium. 'Wir rahmen also Hitler ein.'"

Rede Hitlers
aus: Nordwestdeutsche Zeitung, 3.2.1933
Die Dynamik der Hitlerschen Natur hatte Düsterberg aber ganz richtig eingeschätzt. Ein paar Tage später, am 3.2.33, hielt Hitler eine Rede vor der Reichswehr. Generalleutnant Liebmann notiert davon:

"Ziel der Gesamtpolitik allein: Wiedergewinnung der politischen Macht. Hierauf muß gesamte Staatsführung eingestellt werden.
1. Im Inneren. ... Keine Duldung der Betätigung irgend einer Gesinnung, die dem Ziel entgegensteht [Pazifismus]. Wer sich nicht bekehren läßt, muß gebeugt werden. Ausrottung des Marxismus mit Stumpf und Stiel. ... Ertüchtigung der Jugend und Stärkung des Wehrwillens mit allen Mitteln. Todesstrafe für Landes- und Volksverrat. Straffste autoritäre Staatsführung. ...

2. Nach außen. Kampf gegen Versailles. Gleichberechtigung in Genf; aber zwecklos, wenn Volk nicht auf Wehrwillen eingestellt. Sorge für Bundesgenossen.

3. Wirtschaft! Der Bauer muß gerettet werden! Siedlungspolitik! ... Aber braucht Zeit und radikale Änderung nicht zu erwarten, da Lebensraum für deutsches Volk zu klein.

4. Aufbau der Wehrmacht wichtigste Voraussetzung für Erreichung des Ziels: ... Zuvor aber muß Staatsführung dafür sorgen, daß die Wehrpflichtigen vor Eintritt nicht schon durch Pazifismus, Marxismus, Bolschewismus vergiftet werden oder nach Dienstzeit diesem Gifte verfallen.

Wie soll politische Macht, wenn sie gewonnen ist, gebraucht werden? Jetzt noch nicht zu sagen. Vielleicht Erkämpfung neuer Exportmöglichkeiten, vielleicht - und wohl besser - Eroberung neuen Lebensraums im Osten und dessen rücksichtslose Germanisierung."

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Was bewirkte die "Machtergreifung" im Alltag?



Gewerkschaftler bekamen schon am Tag danach gesagt: "Hitler ist Reichskanzler geworden, jetzt ist's aus mit dem Streiken!" Die Konsum-Geschäfte mußten nachts vor randalierenden SA-Leuten geschützt werden. Die SPD und die Gewerkschaften hatten die "Schutzformation des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold". In Bremerhaven versuchten die Männer von der Schufo zu verhindern, daß aus dem Landkreis SA-Männer in die Stadt kamen. Bremerhaven war eine Hochburg der SPD. Zwei Tage vor der Reichstagswahl am 5.3.33 fand die erste und zugleich letzte große Demonstration von SPD und KPD gegen den Faschismus in Bremerhaven statt. 9000 Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Mitglieder der Konsum-Vereine und Kommunisten marschierten von Bremerhaven nach Lehe. Der Kommentator W.G. schrieb am 31.1.33 in der Nordwestdeutschen Zeitung: "Der Verlauf des gestrigen Abends, an dem Hunderttausende beim Scheine der leuchtenden Fackeln in beispielloser Disziplin dem Reichspräsidenten und dem Kanzler huldigten, zeugt deutlicher als alles, wie glücklich das Volk ist, sein Sehnen nach Vereinigung all derer erfüllt zu sehen, die die nationale Wiedergeburt unseres Volkes als e r s t e s aller Ziele im Auge haben."

Am 31.1.33 eröffnete der Hauptmann Karl Fischer I die Generalversammlung der Freiwilligen Turnerfeuerwehr in Freschluneberg. Dabei spielte die politische Lage keine Rolle. "Ganz besonders lebhaft wurde Klage geführt über die auffällig ungerechte Verteilung der Brandlöschprämie bei dem Brande der Börgerschen Gutsscheune."

In Dorum fand am Sonnabendabend im "Landeshaus" eine Kundgebung der Hitlerjugend statt, die gut besucht war. Der Hitlerjugendführer Döscher (Cuxhaven) erläuterte "in dreiviertelstündiger Rede den Gedanken der Hitlerjugend". Und am Sonntag morgen "marschierte ein Teil der Bremerhavener SA., der Cuxhavener SS., der Wurster SA. und der HJ. Cuxhaven nach voraufgegangenem Kirchgang durch unseren Ort".

Adolf Hitler richtet einen Aufruf an die NSDAP: "...Gebt mir Euer Vertrauen und Eure Anhänglichkeit in diesem neuen und großen Ringen genauso wie in der Vergangenheit - dann wird uns auch der Allmächtige seinen Segen zur Wiederaufrichtung eines Deutschen Reiches der Ehre, der Freiheit und des sozialen Friedens nicht versagen. ..." (Nordwestdeutsche Zeitung, 1.2.33)

Am 2.2.33 fand ein "Fackelzug der Nationalsozialisten und des Stahlhelm zu Ehren der neuen Reichsregierung" statt, der "trotz des unwirtlichen Wetters fast die gesamte Einwohnerschaft Wesermündes und Bremerhavens auf die Beine brachte". Die Nationalsozialisten setzten sich vom Altmarkt aus in Bewegung und am Neumarkt schloss sich der Stahlhelm an. "Während die Spitze des Zuges bereits am Siegesplatz in Bremerhaven war, verließen die letzten Gruppen erst den Neumarkt in Lehe. Das begleitende Publikum, das freiwillig dem mustergültigen Zuge voranmarschierte - in der Hauptsache war es begeisterte Jugend - nahm in Bremerhaven an Zahl stark zu und bildete in Geestemünde sozusagen einen Zug für sich. Die Bürgersteige der Straßen, die der riesige Fackelzug passierte, waren von Menschenmassen dicht besetzt. Überall wurden die Kolonnen begeistert begrüßt." Einige "Nieder"-Rufe in den Nebenstraßen blieben unbeachtet. Die nationalsozialistische Kapelle spielte das Horst-Wessel-Lied, in das ein Teil der Menge miteinstimmt. "Hierauf hielt Herr R o s e n b e r g, der Führer des Gaues Unterweser des Stahlhelm, eine Ansprache ...: In Deutschlands höchster Not übernimmt das Beste, das das deutsche Volk hat, der staatsbewußte Nationalismus, die Leitung des Deutschen Reiches. ... Jetzt muß das gesamte nationale Wollen geschlossen und entschlossen eingesetzt werden, um für alle Deutschen das große gemeinsame Ziel zu erreichen: Einigkeit und Recht und Freiheit!"

Am 3.2.33 wird von einer Kundgebung des Reichsstädtebundes in Berlin berichtet. "Es ist ein unerträglicher Zustand, daß eine große Zahl von Städten nicht einmal mehr in der Lage ist, ihre Gehälter, Löhne und Wohlfahrtsunterstützungen in vollem Umfange aufzubringen, und daß auch die Ausgleichsfonds der Länder ihnen nur 60 v.H. der fehlenden Deckung als Almosen zur Verfügung stellen können. Ebenso ist es untragbar, daß viele Städte gezwungen sind, um ihre Arbeitslosen zu befriedigen, Landessteuern einzubehalten und ihre sonstigen Zahlungen für Zinsen und Tilgungsquoten, ihrer Kredite und für Lieferungen aller Art gegenüber dem notleidenden Mittelstande einzustellen."

Am selben Tag ist unter der Überschrift "Arbeit und Brot" über das Programm der Regierung zu lesen: "Gewiß soll nicht nur der Landwirtschaft geholfen werden, gewiß ist nicht nur beabsichtigt, den sechs Millionen Krisenopfern Arbeit und Brot zu geben, aber weil sich die ungeheure Not des deutschen Volkes besonders deutlich und greifbar in der V e r e l e n d u n g  d e s  B a u e r n s t a n d e s, sowie in der Z a h l  d e r  K r i s e n o p f e r, sowie in den Entbehrungen, die sie leiden, scharf ausdrückt, deshalb sind die Vierjahrespläne auf diese Krisengruppen abgestellt."

Am 2.2.33 fand in Westerbeverstedt die Generalversammlung der Freiwilligen Feuerwehr im "Westerbeverstedter Hof" statt. Nach Wahlen wurde bekanntgegeben, "daß die Wehr drei ausgebildete Krankenträger hat" und der "Verbandskasten ... künftig beim Schließer des Spritzenhauses, Alb. Hol(s)cher, aufbewahrt werden" soll. "Zum Schluß ließ der Hauptmann die neuesten Verordnungen und Verhaltungsmaßregeln bei Bränden vorlesen."

Am 5.2.33 veranstaltete die Ortsgruppe Wulsbüttel des Stahlhelm einen "Deutschen Abend". Hier endlich sprach nun "Kamerad Hilck (Wesermünde)" zur politischen Lage: "Unser Führer, Franz Seldte, hat bereits vor mehr als Jahresfrist darauf hingewiesen, daß das Jahr 1933 die Entscheidung bringen werde. Dankbar wollen wir sein einem von Papen, der das von Seldte und Hugenberg geschmiedete Band von Harzburg nun gewissermaßen autogen zusammengeschweißt habe, dankbar auch einem Adolf Hitler. ... Wir vom Stahlhelm sagen: "Wir kennen keine Parteien, wir kennen nur Deutsche!" Reicher Beifall lohnte den Redner. Mit dem Deutschlandlied fand der offizielle Teil sein Ende."

Am 7.2.33 stand auch der Bericht vom "Deutschen Abend" des Stahlhelms in Donnern in der Zeitung. Nachdem "Kam. Hildebrandt, Kreisführer des Landes Wursten" von "der Not in der Landwirtschaft" und von "unserer Hoffnung auf die Arbeit der Regierung der nationalen Einheitsfront" gesprochen hatte sowie von seiner Freude darüber, dass "in Donnern an diesem Abend die nationale Bevölkerung einmütig zusammengekommen war", "trat die Jungstakapelle noch für eine Stunde in Tätigkeit. Tanz beschloß den Abend."

Am 16.2.33 erlässt das Präsidium des Evangelischen Bundes zu den Wahlen am 5.3. einen Aufruf: "Die neue Reichsregierung, die zu den Wahlen im März aufruft, ist aus der völkischen Neuordnung hervorgegangen; sie will mit den noch vorhandenen starken nationalen Kräften des eigenen Volkes in bewußtem Gottesglauben auf dem Trümmerfeld der unseligen November=Revolution des Jahres 1918 ein neues, freies, geeintes Deutschland auferbauen. ... Evangelische Christen, erkennt den Ernst der Verheißung dieser Wahlentscheidung. ... Tretet hinter die Männer des gegenwärtigen Regierung, um ihnen Gelegenheit zu schöpferischer Arbeit zu geben."

Am selben Tag erlässt der sozialpolitische Ausschuss der deutschnationalen Reichstagsfraktion auch einen Aufruf: "Eine fast 14jährige Systemherrschaft hat über uns alle und besonders über die deutsche Arbeiter= und Angestelltenschaft Elend über Elend und Not über Not gehäuft. ... Deshalb gilt es, alle Träger der nationalen Regierung so stark zu machen, daß in keine Stelle mehr den Parteien des Systems ein Einbruch gelingen kann. Wenn am 5. März die deutschnationale Reichstagsfraktion stärker wird als die des Zentrums, wird dieses Ziel erreicht. Es wählen deshalb alle die Kampffront Schwarz=Weiß=Rot, die Liste 5, die von der Deutschnationalen Volkspartei gemeinsam mit dem Stahlhelm und führenden nationalen Politikern gebildet ist. Führer dieser Kampffront sind Hugenberg, Papen, Seldte."

Am 21.3.33 werden die nationalsozialistischen Kandidaten für den Kreistag bekanntgegeben. Aus der näheren Umgebung Lunestedts kommen: "Ulrich Vinnen, Landwirt auf Rittergut Osterndorf, ... Wilhelm Heußmann, Landwirt in Junkernhose, ... Friedrich Teschen, Viehhändler in Beverstedt, ... Johann Wientz, Landwirt in Wittstedt, ... Karl Haase, Landwirt in Loxstedt".

Am 19.2.33 veranstaltete der Verband ländlicher Turnvereine an der Lune "einen vaterländischen Abend" in Westerbeverstedt. Am Nachmittag wurde ein Vereinsgerätewettkampf ausgetragen. "Der Festabend ... brachte ein volles Haus. Konzertstücke, turnerische und theatralische Darbietungen, Ansprachen und gemeinsame Lieder füllten den Abend aus. Die Festrede hielt Verbandsvorsitzender Staats. Die Deutsche Turnerschaft sei sich immer bewußt gewesen, daß ihre Aufgabe darin bestehe, Erziehungsarbeit am Volke zu leisten. Sie erziehe die Gemeinschaft der Turner zu bewußtem Deutschtum und zur Liebe zu Volk und Vaterland."

Am 1.3.33 veröffentlichen 9 Pastoren einen - (ihnen selbst wohl unbewusst) prophetischen - Aufruf "An den deutschen Christenmenschen!":   "Zu der letzten und entscheidenden Wahl des deutschen Volkes am 5. März wollen wir nationalsozialistischen evangelischen Pastoren nicht schweigen. ... Darum richten wir nationalsozialistischen Pastoren die ernste Frage an jeden Niedersachsen, ja an jeden Deutschen, der den Anspruch erhebt, ein ganzer deutscher Christenmensch zu sein:
Weißt du, worum es geht am 5. März?
Weißt du, daß es um dein Heiligstes geht?
Weißt du, daß der Satanas in Gestalt des Bolschewismus vor der Tür steht?
... Weißt du, daß dieser Adolf Hitler als Kanzler des deutschen Reiches immer wieder klar zum Ausdruck gebracht hat, daß er seine Regierungsarbeit und den Wiederaufbau des deutschen Volkes gründen will auf dem Boden des Christentums?

... Und wenn du das weißt, deutscher Christenmensch, dann kann deine Entscheidung nur so lauten, wie wir es offen bekennen und erklären: Wir stellen uns freudig und opferbereit hinter den Mann, dem vom greisen Reichspräsidenten, Generalfeldmarschall von Hindenburg, die Führung des deutschen Reiches übergeben wurde, Adolf Hitler." Aus der näheren Umgebung Lunestedts standen die Unterschriften von Pastor Hahn, MdL., Elmlohe und Pastor Brünjes, Loxstedt unter dem Aufruf.

Am 1.3.33 stand auch in der Zeitung: "Man schreibt uns: Bei der Reichstagswahl am 5. März werden die Wähler sich entscheiden müssen, ob sie sich für die Flagge Schwarz=Weiß=Rot bekennen oder nicht." Dann wird erläutert, wie Bismarck 1867 diese Farben vorschlug: Zu dem Schwarz=Weiß Preußens sollte das Rot der Hansa hinzugezählt werden. "Die schwarz=weiß=rote Flagge des Norddeutschen Bundes war laut Verfassung nur die Flagge für Kriegs= und Handelsschiffe. Eine Nationalflagge für den Norddeutschen Bund gab es nicht. Jeder angeschlossene Staat behielt seine Landesflagge." Im Jahre 1871 gingen die Farben Schwarz-Weiß-Rot unverändert auf das Kaiserreich über als Flagge für Kriegs- und Handelsschiffe. Man kannte sie im Ausland bald "als die deutsche Flagge". Und allmählich empfanden auch alle Einzelstaaten, dass sie "das Symbol des Reiches sei". Und wohl nicht zufällig gab es auch eine Anzeige der "Kampffront Schwarz=Weiß=Rot" in der Zeitung.

Am 12.3.33 ergab die Wahl "zum hiesigen Gemeindeausschuß" in Freschluneberg: 86 Stimmen für die SPD (gewählt: Wilhelm Rahders, Schmidt, Hinrich Kück), 77 Stimmen für die "Volksgemeinschaft" (Karl Fischer, Gehr, Müller) und 58 Stimmen für die "Bürgerliche Liste" (Hinrich Rahders). Aus Westerbeverstedt wird berichtet: "Eine Wahl des Gemeindeausschusses ist hier nicht erfolgt, weil man sich auf eine Einheitsliste geeinigt hatte. In Zukunft besteht der Gemeindeausschuß aus folgenden Mitgliedern: 1. Landwirt Hinrich Bullwinkel I (Ersatzmann: Landwirt Hinrich Götjen), 2. Landwirt Hinr. Heins I (Landwirt Wilh. Börger), 3. Landwirt Otto Bischoff (Landwirt Heinrich Bock), 4. Zimmermeister und Kaufmann Diedrich Holscher (Maurer und Bauunternehmer Heinrich Nordholz), 5. Werkmeister Friedrich Rinne (Reichsbahnbetriebsassistent Herm. Meyer), 6. Monteur Hans Eylers (Zimmergeselle Jakob Grotheer), 7. Arbeiter Johann Kück (Landwirt Hinrich Hülseberg), 8. Maurer Martin Mehrtens (Arbeiter Heinrich Scheele).


Interessant ist auch die Auswertung des Protokollbuches des Kriegervereins Westerbeverstedt. Bis zum 13.8.32 wurden die Protokolle in deutscher Schrift geschrieben. Am 22.10.32 ging derselbe Protokollant zur lateinischen Schrift über - bis zum 12.5.33. Ab 15.7.33 wurden die Protokolle wieder in deutscher Schrift geschrieben. An diesem Tag waren 12 Kam. anwesend. "Entsprechend der Gleichschaltung wurde der 1. Vorsitzer neugewählt. (Unterstreichung im Original) Es ergab sich die einstimmige Wiederwahl des Kam. Fick." "Die Ernennung der anderen Mitglieder ist verordnungsgemäß dem 1. Vorsitzer überlassen, bedarf jedoch der Genehmigung der vorgesetzten Stellen." An diesem Tag wird das Protokoll zum letzten Mal vom "Vorsitzer" unterschrieben. Im Protokoll vom 25.10.33 kann man den Text wohl als Berichtigung auffassen: "In der letzten Versammlung am 15.Juli 1933 war aufgrund der Gleichschaltung unser langjähriger Vorsitzer als Führer wiedergewählt. Die Wahl ist inzwischen höheren Ortes genehmigt. Der Führer ernannte zu seinem Stellvertreter den Kam. Backhaus, ..." "Die Versammlung wurde kurz vor 10 h mit einem dreifachen Sieg=Heil auf Vaterland, Reichspräsident und Volkskanzler durch den Führer geschlossen." Diesmal unterschreibt das Protokoll: "Der Führer: Fick". In der Zukunft unterschreibt dann "Der Führer der Kameradschaft" oder "Der Vereinsführer".
Am 13.1.34 "wurde festgestellt, welche Kameraden der NSDAP angehören, nämlich Mangels, Fick, Backhaus, Heins Heinr, Huxoll, Meyer, Bock II, Ost, Harms, Otten, Brinkmann, Gerken, Seedorf Wilh., Mehrtens (14 Kam). Zur SA der NSDAP (Reitersturm) gehören die Kam. Bock I, Bock II, Heinr. Heins. Dann machte Kam. Backhaus noch einige Ausführungen über das Jahr 1933 und über das Streben der hiesigen Kriegerkameradschaft seit den Revolutionstagen 1918. U.a. führte er aus, daß unser Ziel stets die Erneuerung Deutschlands gewesen sei und wir an unserem bescheidenen Teile dazu beigetragen, wenn wir auch nicht sagen durften und laut gefragt haben. Diese Ausführungen fanden ungeteilten Beifall." Diesmal "schloß der Führer, nachdem wir noch einige Soldatenlieder gesungen hatten, mit Siegheil auf unsere beiden höchsten Führer des Vaterlandes die Versammlung." Am 27.10.34 lautete die Schlußformel: "mit dreifachem Siegheil für unser Vaterland, unsern Führer und Reichskanzler und unsern Bundesführer". Ab 16.5.36 wurden die Versammlungen wieder einfach "um ... Uhr" geschlossen. Seit 17.1.42 wurde die Versammlung "mit einem dreifachen Sieg Heil auf den Führer" geschlossen und von Heinrich Bock unterschrieben. Das letzte Vorkriegsprotokoll stammt vom 23.1.1943.

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"Schutz von Volk und Staat" = Verfolgung politisch Andersdenkender durch "Schutzhaft"



Für den folgenden Abschnitt dienten als Quellen Ausschnitte aus der Ems-Zeitung (EmZ) von 1933, "Die Zerstörung von Recht und Menschlichkeit in den Konzentrations- und Strafgefangenenlagern des Emslandes 1933 - 1945" hrsgb. vom Landkreis Emsland, Papenburg 19953 sowie Einblick in Dokumente der Dokumentationsstätte DIZ-Emslandlager, Papenburg.
Mein besonderer Dank gilt Kurt Buck vom DIZ.
(Erstaunliches hat die Grundschule Friedrichsfehn in einer Unterrichtseinheit über die Emslandlager geleistet: Was geschah in den Emslandlagern? lautete das Thema der Grundschüler.)
Allgemeine Informationen über "Schutzhaft" kann man nachlesen unter: Schutzhaft (dhm).


Am 27. Februar 1933 brannte der Reichstag. Die Umstände sind nie mit letzter Sicherheit geklärt worden. Aber die Nazis haben sich den Brand - mindestens - sehr geschickt zunutze gemacht. Am Tag nach dem Brand kam die Verordnung zum Schutz von Volk und Staat heraus. In den Zeitungen wurde sie bekannt gegeben: Sieben Artikel der Reichsverfassung wurden "bis auf weiteres außer Kraft gesetzt. Es sind daher Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechtes der freien Meinungsäußerung einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechtes, Eingriffe in Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis, Anordnungen von Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmen, Beschränkungen des Eigentums zulässig." (EmZ 1.3.33)
Was sich so bürokratisch harmlos liest, hatte gewaltige Auswirkungen: Ohne richterliche Mitwirkung wurden Menschen inhaftiert - "in Schutzhaft genommen". - Jeder vor Gericht Verurteilte weiß wann er wieder auf freien Fuß kommt. Das war ab sofort anders: Wer in "Schutzhaft" kam, erfuhr nie, wann er wieder freikommen könnte. Es sind sogar Fälle bekannt, daß jemand aufgrund einer Amnestie (z.B. zu Weihnachten) entlassen und zu Hause gleich wieder "in Schutzhaft genommen" wurde. Mit den "Schutzhäftlingen" waren natürlich die Gefängnisse überfordert.

Das Ausmaß des Terrors ist heute chronologisch bekannt:

17.3.33 Anfrage des preuß. Innenministeriums an Regierungspräsidenten in Osnabrück, ob 250 - 300 politische Gefangene ohne größere Unkosten untergebracht werden könnten.
25.3.33 Unterbringung in Börgermoor möglich, Arbeitseinsatz bei Moorkultivierung
5.4.33 Auftrag des preuß. Innenministeriums an Regierung in Osnabrück: Einrichtung von mehreren Lagern für 3000 - 5000 politische Häftlinge; Bedingung: Abgeschlossenheit, leichte Überwachung, Arbeitsmöglichkeit
6.4.33 (!) Kostenaufstellung des Kulturbauamtes Meppen in allen Einzelheiten (Gesamtkosten für ein Lager mit 1000 Gefangenen: 280.000 RM, jährliche Verpflegungskosten für 100 Aufseher und 4000 Gefangene: 575.500 RM)
8.4.33 Geheimbericht des kommissarischen Regierungspräsidenten, Vorschlag für 4 Lagerstandorte; Bauzeit für ein Lager 2 Monate; 75 SA-Männer bereits in Ausbildung für Gefangenenaufsicht
19.5.33 Beschluß des preuß. Innenministers (Göring): Aufbau von 2 KZs für 2000 Gefangene
21.5.33 Planungsauftrag an Kulturbauamt Meppen und Hochbauamt Lingen
8.6.33 Kulturbauamt legt Planung für KZ Esterwegen (2000 Gefangene) vor
20.6.33 Beschluß des preuß. Innenministers: Aufbau von 3 KZs (Börgermoor, Esterwegen, Neusustrum) für insgesamt 5000 Häftlinge. Leitung/Gefangenenaufsicht durch Schutzpolizei
22.6.33 Schnellbrief des preuß. Innenministers: mit 10.000 Häftlingen sei in nächsten Jahren zu rechnen; Eintreffen der ersten 90 Häftlinge in Börgermoor ("voll arbeitsfähige Handwerker" aus dem Bezirk Düsseldorf)
28.6.33 Artikel der Ems-Zeitung: "Ein Besuch im Konzentrationslager bei Papenburg"
"... Der neue Tag nimmt seinen Anfang mit dem Wecken um 6 Uhr, 1/2 7 Uhr ist Antreten zum Frühstück. Nach demselben gehts geschlossen mit entsprechendem Arbeitsgerät zur Arbeitsstätte. Augenblicklich sind Zufahrtswege zum Lager selbst zu bauen, denn das Lager liegt mitten im Moor- und Heideland, und der Boden muß erst für besondere Zwecke wie Zufahrt mit dem Lastwagen oder sonstigen Fahrzeugen befestigt werden. Ein Teil der Häftlinge kuliviert od. ist mit Torfarbeiten beschäftigt, und so wechseln Arbeit und Mahlzeiten bis zur allgemeinen Ruhepause um 19 Uhr. Diese letzte Freizeit währt bis zum Dunkelwerden. In dieser Freizeit können die Häftlinge ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen. ... Ein praktischer Arzt, sowie Zahnarzt, Friseure aus dem benachbarten Papenburg werden von Zeit zu Zeit ins Lager kommen, um nach dem Rechten zu sehen. ... Jene riesigen Flächen der Hümmlinger Moore sind groß genug, um tausenden von Arbeitshänden auf lange Zeit eine Beschäftigung zu geben. ..." Anmerkung: Seit 31.3.33 sind die Zeitungen gleichgeschaltet. Die NSDAP hat also diesem Artikel zugestimmt. Hat sie ihn sogar für vorteilhaft gehalten - vielleicht um Angst zu erzeugen?
12.7.33 Übernahme der Lagerleitung durch SS und Abzug der Schutzpolizei
7.8.33 Planungen für ein weiteres KZ (Oberlangen) laufen an
17.8.33 KZ Börgermoor und Esterwegen mit 3000 "Schutzhäftlingen" besetzt
August 33 "Nacht der langen Latten" im KZ Börgermoor; nächtlicher Terror der SS gegen Häftlinge wegen versteckten Tabaks; Folge: 3 Schwerverletzte; drei Wochen später: Durchführung der Kulturveranstaltung "Zirkus Konzentrazani" mit Uraufführung des Liedes der Moorsoldaten
31.10.33 Anzahl der Schutzhäftlinge im Deutschenreich: 26789, davon in Preußen: 14906

Etwa ein halbes Jahr nach der "Machtergreifung", die von den Nazis immer "nationale Erhebung" genannt wurde, war Deutschland fest in nationalsozialistischer Hand.



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Zeitliche Einordnung der "Machtergreifung"



April 1922 Erster Nachweis einer NSDAP-Ortsgruppe in Bremerhaven/Wesermünde
1932 80 % der Bremerhavener Bauarbeiter sind arbeitslos, in der Fischindustrie werden noch bis 6 % Dividende gezahlt, 15000 Arbeitslose (=23 %)
November 32 SPD und KPD waren in Bremerhaven zusammen doppelt so stark wie die NSDAP.
22.11.32 Der ehm. Reichsbankpräsident Dr. Schacht erklärt nach einer Unterredung mit Hitler, Hugenberg und Thyssen im "Kaiserhof": "Es gibt nur einen, der Kanzler werden kann: Adolf Hitler. ... Wird Hitler jetzt nicht Kanzler, dann wird er es in vier Monaten."
26.1.33 Besprechung Papens mit Hugenberg, Seldte und Düsterberg: Hitler soll Reichskanzler werden und von Hindenburg und den Gesprächsteilnehmers eingerahmt - gezähmt werden.
28.1.33 Die Nordwestdeutsche Zeitung meldet "die Bildung der neuen nationalen Front"
30.1.33 Hitler wird zum Kanzler ernannt. In der Regierung "der nationalen Konzentration" gab es drei Nationalsozialisten: Adolf Hitler, Wilhelm Frick und Hermann Göring. Ein Fackelzug in Berlin "huldigt" dem Reichspräsidenten und dem Reichskanzler. In anderen Orten gibt es auch Fackelzüge.
4.2.33 "Verordnung zum Schutze des Deutschen Volkes" Versammlungen unter freiem Himmel müssen 2 Tage vorher angemeldet werden und können verboten oder aufgelöst werden. Druckschriften können verboten, polizeilich beschlagnahmt und eingezogen werden.
27.2.33 Reichstagsbrand
28.2.33 "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat": Verfassungsartikel werden außer Kraft gesetzt: Beschränkungen der persönlichen Freiheit, der Meinungs- u. Pressefreiheit, des Postgeheimnisses
3.3.33 Erste (und zugleich letzte) Demonstration von SPD und KPD gemeinsam in Bremerhaven
5.3.33 Reichstagswahl (NSDAP bekommt 44 %)
24.3.33 "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" ("Ermächtigungsgesetz"): Gesetze können auch von der Regierung beschlossen werden und dürfen von der Verfassung abweichen. Verträge mit fremden Staaten bedürfen nicht der Zustimmung des Reichstages/-rates. Die SPD lehnt das Gesetz ab - das Zentrum stimmt zu. Reinhold Maier (damals Staatspartei, später FDP), Paul Bausch (Volksdienst/Evangelische Bewegung) stimmen zu. Das Reichstagsgebäude ist von SS umstellt. Franz von Papen (DNVP) erklärt 1952: "Kein Zweifel, dies Ermächtigungsgesetz bedeutet die Selbstausschaltung des Parlaments und den Beginn der Diktatur Hitlers."
29.3.33 Die "Lex van der Lubbe" über Verhängung und Vollzug der Todesstrafe bewirkt, dass Marinus v.d. Lubbe für sein Geständnis zum Reichstagsbrand hingerichtet wird.
31.3.33 "Vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich"
7.4.33 "Zweites Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich"
7.4.33 "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums"
14.7.33 "Gesetz über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens"
14.7.33 "Gesetz gegen die Neubildung von Parteien"
14.7.33 "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses"

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Wie kam es zur Machtergreifung?



Diese Frage stellen sich Wissenschaftler der Fachrichtung Geschichte, Soziologie, Psychologie usw. immer wieder - und finden meist keine befriedigende Antwort. Für den Unterweserraum hat der gebürtige Bremerhavener Wolfgang Wippermann sich mit der Analyse dieser Frage in Berlin als Geschichtswissenschaftler qualifiziert. (Jahrbuch der Männer vom Morgenstern 57 / 1978, S. 165 - 199)

1932 waren 80 % der Bauarbeiter arbeitslos. Die Arbeitslosenquote betrug 23 % - 15.000 Menschen. Die Fischindustrie war von der Krise weit weniger betroffen. Einige Firmen zahlten 1932 noch 6 % Dividende, und es gab sogar Streiks bei den Fischdampferbesatzungen und in fischverarbeitenden Betrieben.

Nach 1918 hatten sich die bürgerlichen Parteien zu einem Bürgerblock gegen die SPD zusammengeschlossen. Das spätere Bremerhaven entwickelte sich zu einer SPD-Hochburg. Tragende Stützen waren neben der Partei die Gewerkschaften, die Arbeitersportvereine, die Siedlungsgenossenschaften, der Konsumverein und das lokale Parteiorgan "Norddeutsche Volksstimme". Der Aufstieg der NSDAP in Bremerhaven-Wesermünde war "vor allem deshalb möglich, weil die nicht-faschistischen und die anti-faschistischen Kräfte zersplittert waren." Bereits im April 1922 war eine NSDAP-Ortsgruppe in Bremerhaven-Wesermünde nachweisbar. Aber die Anfänge waren "so bescheiden, daß selbst in späteren Erinnerungen von sogenannten Alten Kämpfern wahrheitswidrig behauptet werden konnte, daß die Nazis erst seit dem Jahre 1928 an die Öffentlichkeit getreten seien." Die Nazis waren auch zerstritten: Sie reichten im November 1930 zu den Wahlen für die Bremische Bürgerschaft in Bremerhaven zwei unterschiedliche Wahlvorschläge ein.
Die Gauleiter von "Ost-Hannover" und "Weser-Ems" bekämpften sich gegenseitig. Telschow aus dem Gau Ost-Hannover bat die Ortspolizeibehörde Wesermünde, "jedes Randalieren sogenannter Nationalsozialisten und jede nicht von politischen Leitern einberufenen Versammlung der Partei" zu unterbinden. Die Angegriffenen "griffen zu ihren Schlagstöcken, Messern, Pistolen und Totschlägern und verprügelten die Mitglieder" der anderen Parteigruppe. Obwohl die Telefonleitung durchschnitten war, konnte die Polizei benachrichtigt und einige Rädelsführer verhaftet und später zu - milden - Strafen verurteilt werden. Eine Reihe von Nazis trat zur KPD über.
Bei den Wahlen des Jahres 1933 gelang es der NSDAP nicht, die SPD zu überflügeln weder in Wesermünde noch in Bremerhaven. "Die NSDAP ging hier also nicht als Sieger aus den Wahlen hervor; dennoch konnte sie die Macht ergreifen. Die sogenannte Machtergreifung hatte jedoch selbst in diesem eng begrenzten Raum einen unterschiedlichen Charakter. In Bremerhaven wurde der Oberbürgermeister Waldemar Becké, der Mitglied der Deutschen Staatspartei war, unter sehr unwürdigen Umständen aus dem Amt gejagt. Die Entwicklung in Wesermünde verlief dagegen anders." Es kam "nicht, wie allgemein erwartet wurde zur Absetzung von Oberbürgermeister Delius, der Mitglied der Deutschen Volkspartei war. ... In wechselnden Bündnissen mit staatlichen Organen und Parteistellen gelang es ihm, mögliche und tatsächliche nationalsozialistische Konkurrenten auszuschalten." Ein führender Nationalsozialist der Kampfzeit nach dem anderen verschwand von der Wesermünder Bildfläche. Die Nazis selbst drohten sich gegenseitig die Einlieferung ins KZ an.

Wippermann hat in den verfügbaren Quellen die soziale Herkunft von 69 NSDAP-Aktivisten aus den Jahren 1929 bis Anfang 1933 ermittelt: Es "waren 15 Arbeiter. Unter den 33 Selbständigen gab es 17 Handwerker, 12 Kaufleute und 4 Angehörige freier Berufe. Auffallend ist, daß in dieser Aufstellung kein einziger Beamter zu finden ist. Auch unter den 17 Angestellten gab es nur sehr wenige, die im Dienste der Stadt standen. Abgesehen von den 2 Rechtsanwälten, 2 Ärzten, 2 Fischgroßhändlern, 2 Möbelkaufleuten und 2 Möbelfabrikanten (...), die als Angehörige des oberen Mittelstandes angesehen werden können, gehörten nicht weniger als 85 % dem unteren Mittelstand und der Arbeiterschaft an." Von 107 SA-Führern im Gau Ost-Hannover waren 32 Bauern, 12 Angestellte und 20 Arbeiter. Die NSDAP bekam vor allem in 'kleinbürgerlichen' Wohnvierteln Stimmen. Hier lebten "vor allem Handwerker, kleine Gewerbetreibende, Angestellte, aber auch Arbeiter". In Stimmbezirken, die traditionell SPD-Hochburgen waren, und in Gegenden mit Fischarbeitern erreichten die Nazis keine besonders hohen Anteile. Merklich höher sind die Anteile in Bezirken mit Hafen- und Bauarbeitern. Dort hatte die KPD ihre Hochburgen und die Arbeitslosigkeit war höher.

Wippermann faßt zusammen: Die NSDAP "konnte sich mit gewissem Recht als Partei aller sozialen Schichten ausgeben und hat damit vor allem die Gefühle der 'kleinen Leute' angesprochen, deren Klassenzugehörigkeit entweder schwer zu bestimmen ist, oder die sich selbst eben nicht als Angehörige eine bestimmten Klasse ansahen. Die NSDAP verkörperte m.E. den in Deutschland vor 1918 und nach 1945 nicht vorhandenen Typus einer populistischen Partei."

In einer späteren Analyse beschäftigt sich Wippermann mit dem Verhältnis der SPD zum Faschismus (Jahrbuch der Männer vom Morgenstern 61 / 1982 S. 389 - 412). Darin stellt er dar, dass sich in Bremerhaven und Wesermünde die Kräfte gegen die Nazis zu sehr verzettelten. "In Bremerhaven schlossen sich die bürgerlichen Parteien zu einem Bürgerblock gegen die SPD zusammen. Obwohl SPD, USPD und KPD 1919 noch über 21 Mandate in der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung verfügten, gelang es den 15 bürgerlichen Stadtverordneten, die Wahl eines Mitglieds der DDP zum Bürgermeister durchzusetzen." Auch in Wesermünde kam es "nicht zu einem gemeinsamen Vorgehen von SPD und KPD, obwohl beide Parteien zusammen über die Mehrheit in der Bürgervorsteher-Versammlung verfügten. Zum Oberbürgermeister wurde Walter Delius gewählt, der der DVP angehörte."
Erst "nachdem am 28. Februar 1933 ein Angehöriger der Eisernen Front von einem Nationalsozialisten auf offener Straße erstochen wurde, haben SPD und KPD gemeinsam einen Demonstrationszug durchgeführt, an dem sich 9000 Menschen beteiligten."  "Die lokale SPD stand in ihrer Auseinandersetzung mit der NSDAP, die sie auf dem politischen und propagandistischen Sektor geführt hat, allein. Die KPD war nicht wie die SPD bereit, die parlamentarische Republik zu verteidigen, und die bürgerlichen Parteien dachten schließlich nur an die 'ordnungsgemäße Weiterführung der Verwaltung!'"

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Ergebnisse der Reichstags-Wahlen im Reich



(Angaben in der Tabelle in Prozent, Quelle: http://www.ph-freiburg.de/sozial/Fachschaft_GeGk/archiv/WeimarerRepublik/wahlen.htm [26.12.02])
06.06.20 04.05.24 07.12.24 20.05.28 14.09.30 31.07.32 06.11.32 05.03.33
NSDAP 0 6,5 3 2,6 18,3 37,3 33,1 43,9
SPD 21,7 20,5 26 29,8 24,5 21,6 20,4 18,3
KPD 2,1 12,6 9 10,6 13,1 14,3 16,9 12,3
Zentrum 13,6 13,4 13,6 12,1 11,8 12,5 11,9 11,2
DVP 13,9 9,2 10,1 8,7 4,5 1,2 1,9 1,1
DNVP 15,1 19,5 20,5 14,2 7 5,9 8,3 8
DDP 8,3 5,7 6,3 4,9 3,8 1 1 0,9
Sonstige 25,3 12,6 11,5 17,1 17 6,2 6,5 4,3

Graphik der Reichstagswahlen von '20 bis '33



Die folgende Beschreibung der Parteien stammt aus dem Internet.
(http://home.t-online.de/home/d.nix/weimar/weim08.htm)

(BVP) Bayrische Volkspartei

Vertretung für Regionalinteressen, Föderalismus, bürgerlich-konservative, teilweise christlich-katholische Werteorientierung, Zielpublikum Bayern.

(DDP) Deutsche Demokratische Partei / Deutsche Staatspartei

Liberalistische Konzepte, Harmonisierungsversuche von nationalen und sozialistischen Zielen, Zielpublikum im Mittelstand.

(DNVP) Deutschnationale Volkspartei

Altkonservative bis monarchistische Vorstellungen, Distanz zum Parlamentarismus, Zielpublikum im national-konservativen Spektrum.

(DVP) Deutsche Volkspartei

Liberalistische Konzepte, Harmonisierungsversuche von nationalen und sozialistischen Zielen, Zielpublikum Mittelstand.

(KPD) Kommunistische Partei Deutschlands

Bekämpfung von Parlamentarismus und Kapitalismus durch Revolution für eine Diktatur des Proletariats und Planwirtschaft.

(NSDAP) Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei

Kombination nationaler und sozialistischer Gesellschaftskonzepte, Antisemitismus und -parlamentarismus, Revision der Versailler Verträge.

(SPD) Sozialdemokratische Partei Deutschlands

Traditionspartei für sozialistische Ziele auf parlamentarischem Wege. Gewerkschaftsnah, Akzente im Milieu proletarischer Industriearbeiter.

Zentrum

Traditionspartei mit konservativem, überwiegend christlich-katholischem Profil. Föderalismus, Privatwirtschaft mit sozialer Verantwortung.

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Ergebnisse der Wahl am 12.3.1933 im Landkreis Wesermünde



Kreistagswahl


(Angaben in Prozent, berechnet aus: Nordwestdeutsche Zeitung v. 13.3.33)
NSDAP SPD Geestemünder berufsständische Liste für Landwirtschaft, Handwerk und Gewerbe Leher berufsständische Liste für Landwirtschaft, Handwerk und Gewerbe Sonstige
Freschluneberg 42,7 26,7 23,7 0 6,9
Westerbeverstedt 58,2 21,6 9,3 0 10,8
Beverstedt 63,2 8,8 23,2 1,0 3,8
Hollen 45,1 8,0 36,7 0 10,1
Bexhövede 30,2 37,8 28,4 0,7 2,9
Bokel 52,5 19,1 21,4 0,3 6,8
Cappel 29,5 28,9 0,6 23,1 17,9
Dorum 34,2 26,8 0,3 26,4 12,3
Düring 28,1 16,7 50,2 0 4,9
Frelsdorf 49,7 4,1 43,6 0,7 2,0
Hagen 30,0 7,8 56,0 0,5 5,7
Loxstedt 39,8 30,8 17,0 0,6 11,8
Osterndorf 97,0 0 3,0 0 0
Stubben 55,3 17,4 15,3 0 12,0
Wehldorf 39,3 0,6 50,9 7,5 1,7

Graphik der Kreistagswahl am 12.3.1933

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Provinziallandtagswahl

(Angaben in Prozent, berechnet aus: Nordwestdeutsche Zeitung v. 13.3.33)
NSDAP SPD Kampffront Schwarz-Weiß-Rot Sonstige
Freschluneberg 58,8 36,8 0,5 3,8
Westerbeverstedt 59,8 24,7 10,3 5,2
Beverstedt 59.6 6,8 29,6 3,9
Hollen 61,9 11,0 16,9 10,2
Bexhövede 32,6 37,3 27,5 2,5
Bokel 59,2 19,7 13,8 7,3
Cappel 36,4 36,7 24,6 2,4
Dorum 37,9 26,3 25,5 10,2
Düring 28,2 17,0 51,0 3,9
Frelsdorf 73,0 4,2 20,4 2,4
Hagen 51,9 11,6 25,7 10,8
Loxstedt 42,1 31,3 16,7 9,9
Osterndorf 95,5 0,0 4,5 0,0
Stubben 54,8 20,1 20,7 4,5
Wehldorf 58,5 0,6 40,3 0,6

Graphik der Provinziallandtagswahl am 12.3.1933


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