Zusammengestellt vom Ortsheimatpfleger Arnold Plesse.
Bearbeitungsstand: 19.02.2015
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Nachdem schon eine Reihe Lunestedter das Buch kannten, stellten die Kinder Gantens Auszüge aus dem Buch für die Öffentlichkeit zur Verfügung. Der älteste Sohn Hans-Georg Ganten, Jurist wie der Vater, schrieb ein Vorwort:

Als der Wunsch an uns Kinder herangetragen wurde, die in Buchform gefassten Erinnerungen unseres Vaters - Hans Heinrich Ganten - in einer Chronik für das ehemalige "Freschluneberg" aufzunehmen, waren wir durchaus stolz. Mit erstaunlich präzisem Gedächtnis hatte unser Vater in den Jahren nach seiner Pensionierung (1973, als Richter in Bremen) die persönlichen, familiären und politischen Entwicklungen in den rund ersten 60 Jahren des 20. Jahrhunderts nachgezeichnet. Unser Vater hatte sehr bewusst gelebt und sich mit den gesellschaftlichen Vorgängen seiner Zeit intensiv auseinandergesetzt. Das erlaubte es ihm, seine Erinnerungen praktisch ohne schriftliche Vorlagen niederzuschreiben. Vielleicht hatte er sich darauf auch gedanklich schon lange vorbereitet: Der Wunsch, seine "Erinnerungen" zu schreiben, begleitete unseren Vater schon seit Beginn der 60er Jahre.

Ungeachtet dessen haben wir aber auch einen Moment gezögert, die Erinnerungen so ohne Weiteres zum Abdruck freizugeben. Eigentlich hatte unser Vater seine Zeitschilderung "für die Familie" und nicht für die Öffentlichkeit geschrieben. Es finden sich darin deshalb auch sehr persönliche Gedanken, die er nicht unbedingt beliebigen Lesern anvertrauen wollte. Wir haben diesen Gesichtspunkt dann aber doch zurückgestellt, weil zum Chronikabdruck nur Passagen vorgesehen sind, in denen solche vertraulichen Bekenntnisse fehlen. Noch wichtiger für unser Zögern war aber ein anderer Aspekt:

Unser Vater ist in seinem Buch sehr ausführlich auch auf seine politische Haltung zum Nationalsozialismus in den Jahren 1933 bis 1945 eingegangen. In den Jahren 1934 bis 1938 war er in Freschluneberg "Ortsgruppenleiter' der Partei und hat sich ausdrücklich und engagiert zur Politik des "Dritten Reiches" bekannt. Das beschreibt unser Vater in den 70er Jahren nach Ende seines Berufslebens sehr ehrlich. - Wir kritisieren das nicht, weil wir zwar heute um die Irrtümer und die Menschenverachtung der Hitlerschen Ideologie wissen und zu einem positiven Urteil darüber nicht mehr in der Lage sind. In den Dreißiger Jahren stellte sich die Situation jedoch für viele Deutsche anders dar. Unser Vater hat in Gesprächen mit uns immer wieder betont, dass es ihm in seinen "Erinnerungen" gerade darum gegangen sei, das "Aufbruch-Erlebnis" in der zweiten Hälfte der 30er Jahre nacherlebbar zu machen. Wie ihn hat die Hitlersche Politik (viel zu) viele Deutsche geblendet. Der Idealismus, mit dem auch unser Vater in seiner Freschluneberger Zeit versucht hat, ein neues Gemeinschaftserleben zu fördern und bewusst zu machen, ist von den bösen Geistern der Partei schändlich missbraucht worden. Unser Vater war ein Kind dieser Zeit.

Dies alles aber erforderte vielleicht ein solches "Vorwort" gar nicht. Die "Erinnerungen" unseres Vaters erläutern seine Gedanken selbst genügend. - Kontroverse Gespräche hat es jedoch mit uns (und insbesondere dem Unterzeichnenden) darüber gegeben, warum die heute notwendige und unumgängliche Kritik am nationalsozialistischen System nicht auch im Buch deutlicher herausgetreten ist. Unser Vater meinte, dass diese - berechtigte - Kritik nicht Gegenstand seiner Erinnerungen an die 30er Jahre sei; sie verstehe sich heute von selbst. Uns genügte das allerdings nicht, weil dieser Standpunkt nicht die Gefahr ausräumte, dass sich die später geläuterte Haltung unseres Vaters dem Leser nicht genügend mitteilte. Unser Vater hatte das geglaubt und hätte vielleicht ein weiteres Kapitel angefügt, wenn wir unsere Stellungnahme vor dem Druck des Buches hätten einbringen können. Wir Kinder können deshalb heute nur auf diesem Weg mitteilen, dass unser Vater sich nach dem Kriege ganz selbstverständlich von allen Verirrungen und Unmenschlichkeiten des Hitler-Regimes distanziert hat; er wollte nur sein Buch nicht mit diesen "späteren Erkenntnissen" belasten. Nach unserem Wunsch hätte er das tun sollen. Einige Kapitel des Buches wären dann mehr als jetzt gegen Missverständnisse gefeit gewesen.

Um diese Zeilen aber versöhnlich abzuschließen: Unser Vater war ein engagiert politisch denkender Mensch; er wollte gesellschaftliches Leben gestalten. Nach seiner Ausbildung war es deshalb lange Zeit sein Wunsch, beruflich eine verantwortliche Aufgabe in der kommunalen Selbstverwaltung zu übernehmen. Diesen Wunsch hat ihm die Partei in den 30er Jahren im Ansatz erfüllt. Nach dem Kriege hat er dieses Berufsziel nicht wieder aufgegriffen, weil auch er seinen Idealismus von der Partei missbraucht sah und sich jetzt in der unabhängigen Justiz am richtigeren Platz fühlte. In dieser Funktion hat er seine Aufgabe vorbildlich erfüllt und war zugleich ein verantwortungsbewusster und liebevoller Vater und Großvater.

Unterschrift
Hans Georg Ganten (geb. 1937), Worpswede, im Juni 2007



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